Dichtheitsprüfung: Frühzeitig auf grüne Technologie gesetzt
MACEAS GmbH | Worthmann Maschinenbau GmbH
Dichtheitsprüfung: Frühzeitig auf grüne Technologie gesetzt
Benzin und Diesel haben bald ausgedient. Dann müssen auch die dazugehörigen Tanks und Behälter nicht mehr auf Dichtigkeit geprüft werden. Die Erfolgsgeschichte des Sondermaschinenbauers Worthmann GmbH aus Barßel-Harkebrügge im Landkreis Cloppenburg geht dennoch weiter – dank des frühzeitigen Umdenkens der Geschäftsführer in Richtung grüne Technologien. Die ausgegründete MACEAS GmbH entwickelt neue Verfahren und prüft damit Komponenten aus den Bereichen Wasserstoff, Wärmetechnik und Batterietechnologie.
Mit einem automatisierten Verfahren, das per Ultraschall die Gasblasen entdecken kann, und dem großen Autobauer aus Niedersachsen als Kunden war Wachstum von Beginn an vorprogrammiert. Das Unternehmen expandierte bis nach China, und gemeinsam mit der Mutterfirma Worthmann wurden sogar komplette Fertigungslinien für Kraftstofftanks angeboten, inklusive der neuestem Verfahren zur Dichtigkeitsprüfung.
In der ersten Automobilkrise 2008 musste die Geschäftsleitung erstmals umdenken – und baute sich mit Maschinen zur Verarbeitung von Faser-Verbund-Stoffen für Windkraftanlagen ein zweites Standbein auf. Als dann mit den Ad-Blue-Behältern die Nachfrage nach Dichtigkeitsprüfungen im Automotive-Bereich wieder stieg, erkannte Worthmann/MACEAS, „dass wir in unterschiedlichen Bereichen stark sein können“ – und das war eine gute Voraussetzung für den nächsten Umbruch, zehn Jahre später.
Als die Batterietechnologie in den Fahrzeugbau einzog, wurde 2018 die nächste, aber weitaus größere Transformation bei MACEAS ausgelöst. „Kriege und Umweltkatastrophen vergehen irgendwann, die Umweltverschmutzung bleibt. Das muss geändert werden. Dem haben wir uns verschrieben und die gesamte Kompetenz in den Bereich, den wir ‚grüne Energie‘ nennen, verlagert“, erläutert Daniel Schönbohm, der bei MACEAS Vertrieb und Marketing leitet: Wasserstoffbehälter, Bipolar-Platten für Brennstoffzellen, Komponenten für Elektrolyseure, die Anoden- oder Kathoden-Deckel und Becher in Lithium-Ionen-Batterien, komplette Batteriezellen oder auch in den Unterboden fertig eingebaute Batterie-Gehäuse / Batteriepacks – all das können die MACEAS-Anlagen auf Dichtigkeit prüfen.
Fokus auf Innovationskraft und Neuentwicklung
„So viele unterschiedliche Kunden, wie wir jetzt haben, haben wir noch nie in unserer Geschichte gehabt. Das ist positiv. Wir entwickeln mit ihnen gemeinsam neue Verfahren und Anlagen“. Die hohen Energiepreise träfen das Unternehmen nicht so stark, weil es einen Teil der Fertigung aufgegeben habe und sich mehr auf Forschung und Entwicklung konzentriere. „Wir setzen jetzt mit unseren Ingenieuren auf Innovationskraft und Neuentwicklung und verschwenden unsere Kraft nicht für alte Technologien – was aber auch ein Umsatzrückgang bedeutet.“
Strukturell sei die Transformation im Unternehmen schon abgeschlossen, was noch fehlt, ist die Skalierung. „Wir bieten jetzt auch Lohn-Prüfung als Dienstleistung an. Das ist noch ein toller Bereich für uns geworden“, so Schönbohm. Die jahrelange Erfahrung macht sich jetzt bezahlt: „Viele Kunden von uns haben im Bereich Feinst-Leckage-Tests nicht so viel Erfahrung und auch kein Equipment. Wir beraten sie, wie man Teile prüft, können die Teile der Vorserien für sie prüfen und sie bis zur Serien-Anlage begleiten“.
Abgeschlossen sei die Transformation für MACEAS, “wenn wir am Markt genug Auftragsvolumen haben. Das dauert noch ein bis zwei Jahre und ist vom Marktumfeld abhängig. Was wir innerhalb des Unternehmens erreicht haben, rechnen wir auch den Mitarbeitern hoch an, die ein Problem sofort abstellen, wenn es auftaucht.“
Antrieb, Produktion, E-Mobilität
Gründungsjahr: MACEAS GmbH 2001 | Wortmann Maschinenbau GmbH 1995
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: MACEAS GmbH 5 | Wortmann Maschinenbau GmbH 70
MACEAS GmbH | Worthmann Maschinenbau GmbH
Königstr. 2, 26676 Barßel-Harkebrügge
Telefon: 04497 9219020
„Ich denke, dass wir den richtigen Weg gegangen sind, auch wenn er manchmal schmerzhaft war, und die Leute jetzt erkennen, dass wir eine Firma sind, die nach vorne schaut und Dinge tut, die für die Umwelt gut sind.“
Tritt Helium aus, ist was undicht
Bilder: MACEAS GmbH, Warren Griffiths/pixabay, phonelamiphoto – stock.adobe.com, frog -stock.adobe.com, malp – stock.adobe.com, René Bittner/pixaby
Drei Fragen an: Daniel Schönbohm
Wo sehen Sie die Alleinstellungsmerkmale von MACEAS?
Schönbohm: Ein Alleinstellungsmerkmal von uns ist, dass wir komplexe Anlagen aus einer Hand anbieten und umsetzen können. Wir können die hohen Anforderungen an die Automatisierung erfüllen und schnell die Stückzahlen erhöhen, da wir aus dem Sondermaschinenbau kommen. Außerdem kennen wir uns mit kryogenen Verfahren und mit hohen Drücken aus, was uns im Wasserstoff-Bereich zugutekommt. Und unser das Ultraschall-System, das man ja für Tanks genutzt hat, kann man jetzt auch adaptieren für andere Projekte, für Wasserspeicher, für Kälte-Klima-Anlagen oder auch für die großen Batterie-Unterböden in Autos. Wir entwickeln gerade eine neue Genration dieses Ultraschall-Systems, weil wir hier enormes Potenzial sehen.
Wie ist es Ihnen gelungen, die Mitarbeiter auf dem Weg durch die Transformation mitzunehmen und Fachkräfte zu gewinnen bzw. zu halten?
Schönbohm: Es hängt viel von der Informationspolitik ab. Man muss klar sagen, wo es hingeht. Wir haben zum Beispiel klar kommuniziert, dass wir bewusst Aufträge nicht mehr angenommen haben, weil es nicht zur neuen Ausrichtung passte. Das sorgt für Verunsicherung, vor allem bei den Leuten, die seit 20 Jahren dabei sind. Wir sehen uns hier als Familie und wollen diese Familie möglichst zusammenhalten. Es bleibt aber nicht aus, dass auch Personalentscheidungen getroffen werden müssen. Ich denke, dass wir den richtigen Weg gegangen sind, auch wenn er manchmal schmerzhaft war, und die Leute jetzt erkennen, dass wir eine Firma sind, die nach vorne schaut und Dinge tut, die für die Umwelt gut sind. Ein Riesenproblem in der Zukunft wird sein, dass nicht mehr so viel ausgebildet wird. Umso wichtiger ist es, als Arbeitgeber attraktiv zu sein und eine Beschäftigung mit Zukunft zu bieten. Und wir müssen wieder dahinkommen, dass das Geldverdienen, dass die Arbeit auch Hobby sein kann und nicht etwas ist, was ich zwangsweise machen muss.
Was benötigen Sie als Unternehmen noch, um den Transformationsprozess erfolgreich abzuschließen und welche Rolle spielt der Standort Niedersachsen dabei?
Schönbohm: Es ist eine große finanzielle Hürde für ein Unternehmen, so etwas zu tun. Wir haben ein Projekt fördern lassen, mussten dann aber „abspecken“, weil es zu komplex war, alle Förderrichtlinien einzuhalten. Dann forscht man nicht mehr, weil man forschen möchte, sondern man muss sein Forschungsprojekt dem Förderprojekt anpassen. Das funktioniert nicht. Da wünsche ich mir eine geeignetere Unterstützung bei Innovationen, gerade für kleine Unternehmen. Und ich halte es für ganz wichtig, eine klare Aussage von der Regierung zu bekommen, in welche Richtung es gehen soll. Es ist oft nicht klar, wie die Gesetze langfristig aussehen, es gibt keine Planungssicherheit, Projekte werden verschoben. Das haben wir bei den Wärmepumpen gesehen und auch im Bereich Wasserstoff. Ich meine, da müsste man viel nachhaltiger oder konsequenter sein. Was den Standort hier in Niedersachsen angeht: Wir haben ein tolles Umfeld hier und Leute, die heimatverbunden sind – mich eingeschlossen. Wir haben günstige Kosten für Mieten, Lebenshaltung und ähnliches. Das Bauland ist günstig, Das ist gut für uns, bis auf die Schwierigkeit, dass unsere Mitarbeiter meistens nur mit dem Auto zur Arbeit kommen können. Der ÖPNV im ländlichen Raum müsste gewährleisten, dass die Leute vernünftig von A nach B kommen können, ohne selbst ein Auto zu besitzen.
Raketentechnologie als Rundum-Sorglos-Paket
BEN-Tec GmbH, Energetische Beratung und Fachplanungsbüro
Raketentechnologie als Rundum-Sorglos-Paket
Eigentlich wollte der Geschäftsführer der BEN-Tec GmbH, Sebastian Niehoff, „nur“ Elektrolyseure für Tankstellen bauen, um sie mit Notstrom zu versorgen. Herausgekommen ist ein Verbund mehrerer kleinerer Unternehmen mit inzwischen mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der in Sachen Wasserstoff das Rundum-Sorglos-Paket für Mittelständler anbietet und so etwas wie Fachkräftemangel gar nicht kennt.
„Kompetenz durch Umsetzung“ nennt der Energie- und Umweltingenieur seine Unternehmensphilosophie: „Wir müssen schnell sein, dazu umweltfreundlich, wirtschaftlich und zukunftssicher. Wir denken neu und suchen Partner und Netzwerke, denn ein Patent in der Schublade nützt uns nichts“, erklärt Niehoff. Deshalb setze er lieber fünf kleine Projekte um als ein großes, „weil wir dadurch viel schneller lernen“.
So und auch durch flexible Angebote zu arbeiten ist das Geschäftsmodell schnell gewachsen. „Wir beschäftigen hier Studenten, Absolventen und erfahrene Ingenieure, vom Minijob bis zur Vollzeitstelle“, ergänzt Eric Golbs, ebenfalls Ingenieur. Hochschulen würden gezielt angesprochen. BEN-Tec habe zudem frühzeitig angefangen, selbst auszubilden. So verschmelze junges, grenzfreies Denken und althergebrachtes Erfahrungswissen.
„Wir sind ‚Energiewende-Gestalter‘ und bieten eine ‚Raketentechnologie‘ an. Denn ‚wir bauen Wasserstofftankstellen‘ klingt viel zu langweilig“, betont Golbs. Das ist auch bei weitem nicht alles, was der Wasserstoff-Unternehmensverbund bietet.
BEN-Tec entwickelt komplette Wasserstoffkonzepte in stationären und mobilen Anwendungen. Das erfolgreiche Produkt ist der „H2-Powercube“, in dem sowohl Elektrolyse als auch Stromgewinnung per Brennstoffzelle stattfinden können. Die notwendige Technik wird von der Firma H2 POWERCELL gebaut, ein weiteres Unternehmen installiert diese. Inbetriebnahme und Wartung wiederum übernimmt BEN-Tec. „So können wir die gesamte Schiene Wasserstoff abdecken“, sagt Geschäftsführer Niehoff.
Eigene Ausbildungsgänge entwickelt
Um seinen speziellen Bedarf an Fachkräften zu decken, hat das Unternehmen mittlerweile schon zwei neue Ausbildungsgänge gemeinsam mit IHK und Berufsschule entwickelt. BEN-Tec bildet zum „Technischen Systemplaner, Wasserstoff“ und zum „Technischen Produktdesigner“ aus. So wird die Kompetenzlücke zwischen dem Elektriker und dem Installateur geschlossen. Schulungen für Behörden, Handwerksbetriebe, Tankstellen oder Feuerwehren bietet zudem der „H2-Campus“ an, der als Plattform angelegt, die akademische und betriebliche Weiterbildung verknüpft.
Nicht zuletzt gibt es einen Unternehmenszweig, der die Wasserstoffanwender bei Förderanträgen unterstützt – entstanden aus der Erfahrung heraus, dass Formulare oft nur halb ausgefüllt zurückkamen. „Wasserstoff ist ohne Förderung noch nicht machbar, also bieten wir das mit an. Unsere Online-Formulare sind in der Branche so gut angekommen, dass einige große Marktbegleiter sie von uns erworben haben und ebenfalls nutzen“, so Niehoff.
Dabei wollte Sebastian Niehoff eigentlich „nur“ Elektrolyseure für Tankstellen bauen. Herausgekommen ist ein Mittelständler, der für andere Mittelständler den Energieträger Wasserstoff im Komplett-Paket nutzbar macht. Niehoffs Fazit: „Das, was wir jetzt machen, macht richtig Spaß!“
Fachkräfte, Antrieb, Energie
Gründungsjahr: 2017
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: mehr als 50
BEN-Tec GmbH, Energetische Beratung und Fachplanungsbüro
Gutenbergstraße 30, 48282 Emsdetten
info@ben-tec.com
https://www.ben-tec.com/
„Wir haben von vorneherein eine junge Firmenkultur gepflegt und konnten so von Anfang an dem Fachkräftemangel begegnen. Die Hälfte der Belegschaft ist immer im Homeoffice. Wir bieten flexible Lösungen an, denn die Leute sollen so arbeiten, wie sie am besten können.“
Ganzheitlich und flexibel gedacht: Vom Mittelstand für den Mittelstand
Bilder: AAnds, BEN-Tec GmbH, Daniel Reißig / FAUN
Sebastian Niehoff, Geschäftsführender
Gesellschafter, BEN-Tec GmbH
Drei Fragen an: Sebastian Niehoff
Wie gelingt es Ihnen, junge Leute zu gewinnen, zu halten und weiterzubilden?
Niehoff: Wir brauchen Leute, die grenzfrei denken, weg vom „das haben wir immer schon so gemacht“. Deshalb halten wir zum Beispiel engen Kontakt zu Hochschulen und bekommen die Leute, die Lust haben, sich in ein Wasserstoff-Thema reinzuwühlen. Da sind auch schon die tollsten Abschlussarbeiten entstanden – eine Win-Win-Situation! Wir haben von vorneherein eine junge Firmenkultur gepflegt und konnten so von Anfang an dem Fachkräftemangel begegnen. Die Hälfte der Belegschaft ist immer im Homeoffice. Wir bieten flexible Lösungen an, denn die Leute sollen so arbeiten, wie sie am besten können. Einer Studentin haben wir einen Laptop mit ins Auslandssemester gegeben, ein anderer Mitarbeiter hat bei uns angefangen, als er noch für mehrere Monate in Spanien war. Und wenn unser Auszubildender erst um 10 Uhr kommt, weil das sein Biorhythmus ist, dann ist er motiviert, und wir müssen ihn nicht kontrollieren. Wir denken, diese intrinsische Motivation ist die beste Motivation, um Technogien, Innovationen und Projekte voranzubringen – und die wollen wir fördern.
Sie haben aus Ihrer Leidenschaft heraus ein Unternehmen entwickelt – und das ist schnell gewachsen. Wie wird es weitergehen?
Niehoff: Wir wollen die Konzepte der Zukunft entwickeln – und ich sage ausdrücklich, dass wir dafür auch E-Fuels und Strom als Antriebsenergie brauchen. Wasserstoff kann überall da zum Einsatz kommen, wo es um weite Strecken und große Transporte brauchen. Wir haben in Deutschland kein Energieproblem, sondern ein Zeitproblem. Wir brauchen eine zeitlich abgestimmte Bereitstellung. Mit unserem H2 Powercube können wir dezentral erneuerbare Energie speichern und in der Nacht wieder zur Verfügung stellen. Dieses Produkt wollen wir in Zukunft modular aufbauen, das heißt, dass es je nach Bedarf beim Wasserstoff-Hochlauf mitwachsen kann. Dabei wollen wir auch mit digitalen Zwillingen arbeiten und Standards erarbeiten. In Wettringen planen wir gerade einen Neubau.
Welche Bedeutung hat Niedersachsen für Ihr Unternehmen bzw. für den Wasserstoff-Hochlauf insgesamt? Was könnte die Politik noch besser machen?
Niehoff: Es gibt Energie-Senken und Energie-Quellen. Für Niedersachsen sehe ich große Chance, Energiequelle für andere Regionen zu sein, die eine Senke sind – wie zum Beispiel das Ruhrgebiet. Dafür brauchen wir eine Art Kataster, sodass wir Erzeugung und Bedarf zeitlich miteinander verknüpfen können. Niedersachsen hat viel Potenzial aufgrund seiner Fläche, einerseits in der Energieumwandlung, z.B. durch die Offshorewindparks, aber andererseits auch in Bezug auf das Infrastrukturnetz für Strom und Wasserstoff. Hier in der Region Bentheim, Emsland, Münsterland, Kreis Steinfurt ist eigentlich das Energie-Hub Deutschlands, von Nord nach Süd, von Ost nach West. Die Politik müsste noch offener denken, um vor allem bei der Förderung nicht so einen Flickenteppich zu haben. Niedersachsen erleben wir unkomplizierter bei der Förderung als Nordrhein-Westfalen. Die Förderung von Kleinelektrolyseuren in NRW wiederum könnte Vorbild für andere Bundesländer sein. Wir müssen flächendeckend denken, sonst funktioniert das mit der neuen Technologie nicht. Auch die Photovoltaik konnte nur durch Förderangebote skaliert werden – und ist jetzt eine günstige Form, Elektrizität zu erzeugen.
Von Bier und Bremskraft zu BLUEPOWER und Greenfuture
FAUN Umwelttechnik GmbH & Co. KG
Von Bier und Bremskraft zu BLUEPOWER und Greenfuture
Was haben ein Bier unter Ingenieuren und ein verlorenes Fußballspiel von Bundesligist Werder Bremen mit wasserstoffangetriebenen Abfallsammelfahrzeugen zu tun? Beide Ereignisse waren entscheidend dafür, dass das Unternehmen FAUN Umwelttechnik aus Osterholz-Scharmbeck inzwischen 60 emissionsfreie Müllautos vom Typ „BLUEPOWER“ auf die Straße gebracht hat und ihr Ziel, an einem umweltverträglichen Lastverkehr mitzuarbeiten, verfolgen kann.
Für Geschäftsführer Burkard Oppmann ist dies einer der bedeutendste Meilenstein in seiner nunmehr 27-jährigen Tätigkeit bei FAUN: Dass es die ersten Abfallsammelfahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb sind, die sich – in Serie gefertigt, jeden Tag acht Stunden unterwegs – im Alltagsbetrieb bewähren, das macht ihn hörbar stolz. Doch der Weg dahin war mitunter steinig, und nicht nur einmal war Beharrlichkeit notwendig.
2006 war es, als Oppmann und Kollegen nach Feierabend zusammensaßen und überlegten, wie man die Energie, die entsteht, wenn ein Abfallsammelfahrzeug täglich hunderte Male auf dem Weg von Tonne zu Tonne anfährt und bremst, auffangen und nutzen kann. Heraus kam 2010 das „DUALPOWER“-Fahrzeug, das per Rekuperation den Dieselverbrauch um die Hälfte senkte. Der nächste und erste Schritt hin zum Wasserstoffantrieb folgte nur ein Jahr später: die Berliner Stadtreinigung testete das Müllfahrzeug „FUELCELL“ , das zwar noch einen Dieselmotor hatte, aber dessen Lifter und Aufbau erstmalig von einer Brennstoffzelle mit Energie versorgt wurden.
„Von dieser Stunde an haben wir uns bemüht, mehr und mehr auf das Thema Wasserstoff einzugehen und 2018 das erste Abfallsammelfahrzeug komplett mit Wasserstoff-Antrieb auf der Umweltmesse IFAT in München vorgestellt“, erzählt Burkard Oppmann. Das BLUEPOWER-Müllfahrzeug war geboren. „Von da an ging es mit strammen Schritten voran.“
Beim nächsten Meilenstein half der Fußball mit
Als FAUN dann wiederum einen Schritt weiterging, um mit seiner Erfahrung nicht nur Abfallsammelfahrzeuge, sondern auch andere wasserstoffangetriebene Lastwagen für den Stadtverkehr zu entwickeln, war es wieder die Beharrlichkeit von Burkard Oppmann, die zum Erfolg führte – und ein Sieg des Fußball Bundesligisten VfB Stuttgart über den SV Werder Bremen: „Wir brauchten einen Glider, also einen Truck, der nur aus dem Fahrgestell besteht, ohne Motor, ohne Getriebe und ohne Antriebsstrang. Es bedurfte allen Verhandlungsgeschicks, um mit Daimler nach zweieinhalb Jahre kontinuierlicher Verhandlungen zu einem Vertragsabschluss zu kommen, der vorsah, ein Auto ohne Motor zu liefern.“ Schmunzelnd fügt Oppmann hinzu: „Dass Bremen damals beim Auswärtsspiel gegen den VfB Stuttgart verloren hat, das mag geholfen haben.“
Die LKW kamen 2022 auf den Markt und werden unter der Marke ENGINIUS vertrieben. FAUN verlagerte die Produktion nach Bremen in ein eigenes Werk, wo ausschließlich die Mercedes-Fahrgestelle mit Wasserstoff ausgerüstet werden. „Nur neue, keine gebrauchten“, betont Oppmann. Und: keine Sattelzugmaschinen. Das will FAUN den großen OEM überlassen. „Wir haben gesagt, wir bewegen uns in einer Nische. Alles das, was die anderen nicht machen, ist was für uns.“ 1.500 Wasserstoff-Lastwagen pro Jahr sind das Ziel.
Antrieb, Energie
Gründungsjahr: 1845
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 550 in Niedersachsen, weltweit 2000
Weitere Standorte: 11 Werke in 7 Ländern
Mutterkonzern: FAUN ist Teil der KIRCHHOFF Ecotec, der Umweltsparte der weltweit agierenden KIRCHHOFF Gruppe.
„Wir sind als Erster mit dem Wasserstoffantrieb am Markt. Für uns ist das die Zukunft einer ganzheitlichen, emissionsarmen Entsorgung und Straßenreinigung.“
Zuverlässig, leise und emissionsfrei von Tonne zu Tonne
Bilder: FAUN, Daniel Reißig, Lieres – stock.adobe.com, AANds
Drei Fragen an: Burkard Oppmann
Inzwischen entwickeln viele, wenn nicht sogar alle Lastwagen-Hersteller auch Modelle mit alternativen Antrieben. Wodurch hat Ihr Unternehmen diesen gegenüber einen Vorteil?
Oppmann: Wir haben einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung, weil wir schon 2006 angefangen haben. Mit den DUALPOWER-Müllfahrzeuge, von denen wir bereits 20 verkauft haben, haben wir viele Erkenntnisse gesammelt, die wir in der Wasserstoff-Technik umgesetzt haben. Auch aus ersten Schwierigkeiten bei der Umrüstung von Dieselfahrzeugen mit Aufbau und Lifter von anderen Herstellern haben wir schnell gelernt. Beim Pilotprojekt in Berlin hatten wir keinen Ausfall, außer, dass die Heizung mal nicht ging. Also war der nächste Schritt, unsere eigene Steuerung zu entwickeln. Man muss dazu betonen: wir sind ein Mittelständler, und dass wir als OEM agieren, damit haben wir nicht gerechnet. Wir kommen aus der Abfallabfuhr und der Straßenreinigung, da kennt man uns. Unser nächster Schritt ist jetzt, etwas für den City-Verkehr zu tun.
Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem Weg von der Idee zur Mission zur Innovation?
Oppmann: Als wir das erste Fahrzeug 2018 auf die Messe gestellt haben, waren wir als Einzelkämpfer unterwegs – und haben uns viele Fragen gestellt. Funktioniert das? Ist es marktfähig? Erklärt sich der Kunde bereit, diesen Weg mit uns zu gehen? Den Durchbruch habe ich gefühlt, als wir einen Monat vor der Pandemie auf einem Summit namhafter Entsorger unsere Entwicklung erstmals vorgestellt haben. Damals hatten wir schon einige Aufträge, aber wir mussten ja nicht nur das Fahrzeug bauen, sondern wir mussten Kunden finden, die eine Wasserstofftankstelle in der Nähe haben. Die Versorgung ist heute teilweise auch noch schwierig, aber man arbeitet dran. Auch die Mannschaften, die mit dem Wasserstoff-Fahrzeug unterwegs sind, mussten wir motivieren, umzusteigen: Heute wollen die gar nicht mehr zurück in ein Diesel-Fahrzeug wechseln, dies auch, weil die Geräuschkulisse in einem Wasserstoff-Fahrzeug viel geringer ist.
Wie sieht Ihre Zukunftsprognose für die Mobilität und Ihr Unternehmen – in Niedersachsen – aus?
Oppmann: Das Ziel ‚Kein Verbrenner mehr bis 2035‘ – das wird leider nicht so schnell zu erreichen sein, wie manche sich das vorstellen. Ich meine, wir brauchen beides: Wasserstoff und das Batterieelektrische. Wo ich das größte Problem sehe, ist die Versorgung der LKW mit Energie. Das Transportbedürfnis unserer Gesellschaft ist so viel größer geworden. Wie wollen wir Mengen an Fahrzeugen zukünftig betanken? Da gibt es noch keine überzeugende Lösung. Wir haben gar nicht genug E-Ladesäulen und auch beim Wasserstoff muss die Infrastruktur zur Versorgung verbessert werden. Hier sehe ich die größte Herausforderung. Derzeit konzentrieren wir uns bewusst auf unsere Kunden im deutschen Markt und wollen bis 2035 nur noch emissionsfreie Abfallsammelfahrzeuge bauen. Zukünftig möchten wir gern auch weitere europäische Märkte bedienen.
"Heiße Platten, kühle Köpfe"
Kelvion PHE GmbH
"Heiße Platten, kühle Köpfe"
Was vor fast 100 Jahren zunächst für Milch funktionierte, wird nun für Wasserstoff adaptiert: Kelvion PHE aus Sarstedt reagiert mit der Anpassung seiner Plattenwärmetauscher auf die rasante Entwicklung der Energiewelt – und geht den Weg gemeinsam mit Kundinnen und Kunden sowie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Herausforderung dabei: Es gibt derzeit noch keine einheitlichen, technischen Standards für Wasserstoffanwendungen.
Worauf die Ingenieurinnen und Ingenieure aber zurückgreifen konnten, ist die jahrzehntelange Erfahrung in ihrem Unternehmen und ein breites Produktspektrum, das in Sarstedt seit der Erfindung des ersten Plattenwärmetauschers für die Milchpasteurisierung im Jahr 1931 entstanden ist. Heute entwickelt und baut Kelvion PHE Plattenwärmetauscher nicht nur für die Nahrungsmittelbranche, sondern auch für Kältetechnik und Klimaanlagen, für die Chemie-, Textil- und Papierindustrie – und für den Bereich Energie.
Da hier insbesondere Wasserstoff als Energieträger einen wahren Boom erlebt, ist es naheliegend, dass der Sarstedter Spezialist für Plattenwärmetauscher den aufstrebenden Markt mit kühlem Kopf für sich erobert – und zwar von der Produktion über die Verteilung, den Transport, die Speicherung bis hin zur Nutzung von grünem Wasserstoff. „Es entsteht immer Wärme. Und wir haben für jede Anwendung entlang der Wertschöpfungskette sowohl die passenden Produkte als auch Serviceangebote, die die Lebensdauer unserer Wärmetauscher verlängern. Das sind unsere Stärken“, Evgenij Loginov, Hydrogen Market Manager bei Kelvion.
Der Weg der Veränderung begann 2021, als innerhalb der gesamten Unternehmens-Gruppe sich ein „Wasserstoff-Team“ gründete und nach einer konzernweiten Bestandsaufnahme die weltweite Nachfrage analysierte. Daraus entstand die Strategie, zunächst den europäischen Markt, wo die Erzeugung von grünem Wasserstoff im Vordergrund steht, zu bedienen. In den USA dagegen setzt man verstärkt auf Brennstoffzellen und in Asien geht es wiederum vorrangig um die Entwicklung einer Wasserstoffinfrastruktur und Wasserstoffanwendungen.
Neuland für Hersteller, Kunden und Mitarbeiter
Aus technischer Sicht betreten die Kundinnen und Kunden sowie Kelvion selbst Neuland: Es gibt derzeit keine Standards, wie ein Wärmetauscher für Wasserstoff beschaffen sein muss, damit er zum Beispiel effizient und sicher ist. Hydrogen Market Manager Loginov sieht darin Chancen: „Im Kundengespräch, zum Beispiel mit den Herstellerinnen und Herstellern von Elektrolyseuren, bringen wir unsere langjährige Erfahrung und Kompetenz ein, entwickeln gemeinsam Spezifikationen und können zusätzlich in den Prototypenbau einsteigen.“
Um schnell auf Kunden- und Produktanforderungen reagieren zu können, arbeitet Kelvion global eng zusammen. Der niedersächsische Standort Sarstedt nimmt dabei die zentrale Position des „Center of Competence“ für Plattenwärmetauscher innerhalb der Kelvion-Gruppe ein. Loginov sieht den Standort damit bestens aufgestellt, um auch weiterhin das Produktportfolio stetig anzupassen und zu erweitern. Die Voraussetzungen dafür seien in Sarstedt durch die Qualität der rund 400 Mitarbeiter, der Professionalität der Produktentwicklung und in der technischen Ausstattung des Werks bestens gegeben. Gerade entsteht bei Kelvion am Standort Sarstedt eine neue Fertigungshalle für gelötete Plattenwärmetauscher, die in Wärmepumpen eingesetzt werden – ein Markt, der ebenfalls gerade einen wahren Boom erlebt.
Produktion, Energie
Gründungsjahr: 1920
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 400 in Sarstedt, 5.000 weltweit
Sitz der Mutterfirma: Bochum
Kelvion PHE GmbH
Karl-Schiller-Straße 1-3, 31157 Sarstedt
Telefon +49 5066 6010
„Für uns als Wärmetauscher-Hersteller bedeutet die Transformation, dass wir zusammen mit unseren Kunden individuelle Lösungen finden müssen, die enge Zusammenarbeit und umfassende technische Expertise erfordern. Dies ist Herausforderung und Chance zugleich.“
Mit der Kraft von 8.000 Elefanten
Bilder: Kelvion PHE, AANds
Drei Fragen an: Evgenij Loginov
Auf welche Schwierigkeiten stoßen Sie bei der Entwicklung von Plattenwärmetauschern für die Wasserstoff-Industrie?
Loginov: Am Anfang jeder Produktentwicklung steht die Spezifikation. Bei Wasserstoff fehlen derzeit noch Regelwerke. Wenn ein Kunde sagt, ‚ich brauche einen Wärmetauscher, der ein Gas von 500 auf 100 Grad Celsius kühlen kann‘, dann muss ich neben der Anpassung von Material und Oberfläche auch herausfinden, welche Sicherheitsstandards zu erfüllen sind. Das entwickelt sich derzeit noch. Die Kunden aus der Öl- und Gas-Branche wissen, was sie wollen und welche Bestimmungen für ihre Anwendungen einzuhalten sind. Das ist bei den Kunden aus der Wasserstoff-Branche derzeit noch anders. Hier setzen wir uns mit dem Kunden zusammen, um gemeinsam die Anforderungen an die Eigenschaften des gewünschten Wärmetauschers zu beraten und abzustimmen. Was uns dabei hilft, ist, dass wir nicht nur ein gutes Team haben, sondern eben ein breites Spektrum an Wärmetauscher-Bauformen, standortübergreifende Beziehungen und ein globales Fertigungs- und Servicenetzwerk. Dass die Standards fehlen, ist auch eine Chance. Hier haben wir die Möglichkeit, durch Gremienarbeit mitzugestalten, und das machen wir auch.
Der Standort Sarstedt ist Kelvions „Center of Competence“ für Plattenwärmetauscher. Was bedeutet das genau?
Loginov: Wir stellen hier unter anderem die Wärmetauscher her, die bei der Herstellung von grünem Wasserstoff eingesetzt werden können oder in Betankungsanlagen. Um den steigenden Bedarf, zum Beispiel auch die Nachfrage nach Wärmepumpen, zu decken, erweitern wir derzeit unsere Produktionskapazitäten. Wir haben das Ziel, 2027 45 Prozent des gesamten Umsatzes im Bereich „grüne Technologien zu machen“. Das heißt, dass wir auf Dauer noch viel Arbeit an unserem Standort haben werden. Es heißt allerdings auch, dass wir hier am Standort anpassungsfähig bleiben und unsere unternehmensweit überlegene Kernkompetenz erhalten müssen. Wir werden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf dem Weg mitnehmen. Für den sicheren Umgang und die kompetente Anwendung neuer Technik brauchen wir kontinuierlich Schulungen und Weiterqualifizierung. Wir alle müssen gemeinsam lernen, dass die Welt sich immer schneller dreht.
Welchen Standortvorteil bietet Ihnen Niedersachsen?
Loginov: Als Komponentenhersteller und Zulieferer haben wir wenig Einfluss darauf, wie schnell sich die Wasserstoffwirtschaft entwickelt. Unser Handeln richtet sich eng an den Kunden aus, ihren Bedürfnissen bei kleinen und großen Aufgaben. Trotzdem wird Sarstedt auch künftig der Lieferant für Niedersachsen, Deutschland und Europa sein. Denn hier in Niedersachsen gibt es viel Wind- und auch Solarenergie, die unsere Kunden, die großen Anlagenbauer, zur Herstellung von grünem Wasserstoff nutzen können. In Lingen sind wir bereits an großen Projekten beteiligt. Niedersachsen hat nicht nur viele Offshore-Windräder mit grüner Energie für die Elektrolyse, sondern auch die Häfen für den Import von flüssigem Wasserstoff. Diese Standortattraktivität sollte man forcieren. Die OEM sind auf der Suche nach guten Standorten für ihre Fertigungskapazitäten. Daran – und an den nötigen Kapitalgebern – fehlt es im Moment. Der Wasserstoff-Markt kann gar nicht so schnell wachsen, wie er möchte.