Mit konkreten Geschäftsmodellen und Best-Practice-Beispielen lassen sich am besten die Mehrwerte eines Datenökosystems verdeutlichen. Bereits jetzt gibt es schon viele Transfer-Formate und Anwendungsbeispiele zum Anfassen und Mitmachen. Nun geht es darum, diese an die kleinen und mittleren Unternehmen – über Multiplikatoren – heranzutragen und so „die letzte Meile“ zu ihnen zu beschreiten. Das ist das Fazit des ersten SCALE-MX Forums für Multiplikatoren, das Niedersachsen.next Ende Mai in Hannover veranstaltet hat.

In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) geförderten Konsortium SCALE-MX haben sich VDMA, ZVEI, Niedersachsen.next, Bayern Innovativ, DIHK Service GmbH und WIK unter der Leitung von VDMA und ZVEI zusammengeschlossen, um Manufacturing-X-Projekte zu skalieren. Ziel des von Rainer Müller (Transfer-X) moderierten Multiplikatorenforums sei es daher, Angebote und Bedarfe zusammenzubringen, betonte Dr.-Ing. Dominik Müller-Cramm, Projektmanager Drittmittelstrategie bei Niedersachsen.next, in seiner Begrüßung.

Im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung fänden sich mehrere Hinweise, dass der politische Rahmen dafür gesteckt ist, so Dr. Norbert Gebbe, Bereichsleitung Förderung bei Niedersachsen.next, in seiner Keynote: Sowohl Datenschutz und Datensouveränität als auch technologische Unterstützung und europäische Integration seien darin als Zielsetzungen formuliert. „Es liegt an uns, etwas daraus zu machen, damit nach vorne zu gehen. Dazu brauchen wir den Mut aller“, so sein Appell.

Datenräume und praktischer Nutzen

Den Unterschied eines Datenraums im Vergleich zu einer Plattform verdeutlichten Dr.-Ing. Angelina Marko, Geschäftsführerin der Plattform Digital Ecosystems & Smart Services beim ZVEI e.V. und Dr.-Ing. Marc Hüske, Leiter Forum Manufacturing-X beim VDMA, anhand einer fiktiven Firma: Die „Future Tech GmbH“ ist ein rund 50 Jahre alter Maschinenbauer in Oberbayern mit rund 300 Mitarbeitenden, der angesichts von Wettbewerbsdruck, Lieferengpässen und Kostensteigerungen bei Material und Energie sowie steigender regulatorischer Anforderungen eine Lösung für Digitalisierung und Datentransfer sucht.

Eine Plattform kommt für die fiktive Firma nicht in Frage, da die Daten auf externe Server geladen werden müssen. Sich an einen Zulieferer anzudocken, ist unpraktisch, da dessen Lösung nicht interoperabel mit anderen Partnern ist. Und selbst etwas zu entwickeln, sei mit hohem manuellem Aufwand verbunden – und nicht echtzeitfähig. Ein Datenraum aber biete Dezentralität, Datensouveränität, Interoperabilität und einen Marktzugang für alle Unternehmen, so Dr. Marko. Ein Datenraum sei also „ein vertrauenswürdiges Netzwerk, in dem branchen- und unternehmensübergreifend Daten automatisiert und souverän ausgetauscht werden können, um Effizienz zu steigern und neue Wertschöpfung zu ermöglichen“.

Als beispielhafte Anwendungsfälle nannte sie Lieferketten-Transparenz durch Echtzeit-Übermittlung drohender Engpässe, vorausschauende Wartung zur Vermeidung von Maschinenausfällen sowie automatisierte Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (geringer Aufwand bei der Dokumentation) und Regularien (digitaler Produktpass). SCALE-MX handele nach der Prämisse „Understand, Connect, Benefit“. Es gehe jetzt darum, Pilotprojekte an branchenspezifische Datenräume anzubinden und SCALE-MX kurz- und auch langfristig für den Austausch und Know-how-Vermittlung zu nutzen.

Der Weg zur Skalierung in den Unternehmen

Die Anwendungen der Datenraumtechnologie sind die Basis der Skalierung, stimmte Dr. Christian Lindemann, Technologieberater Digitalisierung und Mobilität bei der VDI Technologiezentrum GmbH, zu und nannte als Beispiele digitale Produktpässe, „collaborative engineering“, CO2-Bilanzierung, Kreislaufwirtschaft und den Datenaustausch entlang von Lieferketten – wobei hier wie auch in der Wertschöpfung die Ketten sich immer mehr zu Netzwerken entwickelten. Lindemann wies auf das “Tal des Todes“ hin – die große Lücke zwischen Forschung/Produktentwicklung und Markteinführung. Der Weg in die industrielle Skalierung müsse begleitet werden und führe von einem zielgerichteten Technologietransfer über die Adaption, also die erstmalige Übernahme einer Lösung oder dem Start einer Anwendung hin zur gewünschten Vervielfältigung, Standardisierung und systematischen Anwendung.

Übertragen auf Datenökosysteme bedeute dies, dass in den Manufacturing-X-Projekten die Entwicklung stattfinde, während SCALE-MX branchenübergreifend die Ergebnisse transferiere, begleitet von einem strategischen Marketing, wie es die Initiative „next level Mittelstand“ der Plattform Industrie 4.0 betreibe, sowie dem Aufbau einer Lern- und Wissensplattform, in diesem Fall Transfer-X. Multiplikatoren spielten hier eine zentrale Brückenrolle zwischen Forschung, Transfer, Skalierung und Unternehmen. Um den KMU Chancen und Nutzen zu vermitteln, müsse der Mehrwert verständlich und konkret werden, wofür die Erläuterung von Geschäftsmodellen besser geeignet sei als die Evon Anwendungen.

Datenräume kennenlernen und erleben

Unter der Prämisse ‚Vorsprung durch Wissen‘ hat das Projekt Transfer-X eine Wissensplattform mit Lernmodulen sowie ein Partnernetzwerk entwickelt, die Marko Pfeifer, Geschäftsfeldentwicklung Agile Produktion und Robotik beim Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU anschließend vorstelle. Ausgehend von Basis-Lerninhalten könnten Unternehmen immer weiter eintauchen in die Welt der Datenräume, konkrete Anwendungen ausprobieren und ihren Bedürfnissen entsprechend Anbieter finden.

Anna Dieckvoss vom Mittelstand Digitalzentrum Hannover warb anschließend noch für einen Besuch in der Mobilen Fabrik, in der die gemeinsame Nutzung von Daten mithilfe eines digitalen Zwillings gezeigt wird, anwendbar für den digitalen Produktpass im Rahmen von Lieferkettentransparenz oder für den Nachweis des Carbon Footprint durch Datenerfassung entlang der Wertschöpfungskette. Der digitale Zwilling biete eine einheitliche Datenstruktur, eine einheitliche „Sprache“, eindeutige Identifikation ohne Verwechslungsgefahr sowie eine weltweite Interoperabilität.

Wie bisherige Transferformate durch neue Technologien ergänzt werden können, verdeutlichte Anja Simon vom Labs Network 4.0: Per AR-Brille wird der Datenraum erlebbar. Innerhalb weniger Minuten wird eine Maschine zusammengebaut, wobei dieses interaktive Transferformat auch Widrigkeiten aus dem realen Alltag vorhält. „Es ist wichtig, dass die Leute Spaß dran haben. Wir spielen auch als Erwachsene noch gerne“. Insofern sei auch die AR-Experience der Niedersachsen.next Automotive Agentur mit einer virtuellen Autofabrik als Multiplayer-Erlebnis ein erfolgreiches Beispiel, wie das Thema Datenräume verständlich zu den Multiplikatoren bzw. auch an die KMU herangetragen werden kann.