aerogel-it GmbH
Hitzeschilde für Auto-Batterien im After-Eight-Style
Die Struktur der neuartigen Superdämmstoffe aus Aerogelen ist mit bloßem Augen nicht erkennbar. Unter dem Elektronenmikroskop zeigt sich im Nanometer-Bereich ein weit verzweigtes, feinstes Netzwerk: hochstabil und ultraleicht. Hergestellt aus Silikaten, Polyurethanen und künftig auch aus Biomasse. Zwei Experten auf diesem Gebiet haben im Jahr 2021 zusammen mit Fachleuten der Technischen Universität Hamburg (TUHH) in Osnabrück die aerogel-it GmbH gegründet. Mit ihrer Entwicklung wollen sie sich unter anderem auch in der deutschen Automobilindustrie und Batterieproduktion etablieren und eine Produktion in Niedersachsen aufbauen.
Die Geschäftsführer Dr. Marc Fricke und Dr. Dirk Weinrich von aerogel-it, beide promovierte Chemiker, haben während ihrer Tätigkeit beim Chemie-Konzern BASF in Lemförde das Thema Wärmedämmung im industriellen Umfeld für sich entdeckt. „Dort haben wir ein Aerogel auf Polyurethan-Basis, also kunststoffbasiert, entwickelt und hergestellt. Es war tatsächlich das erste seiner Art. Damit sind wir auch in die Vermarktung gegangen und haben somit alles gelernt, was wir jetzt für unsere Ausgründung gebrauchen können: Forschung und Entwicklung, Produktion, Geschäftsaufbau und Kundenansprache.“
Klimaschutzpreis würdigt Entwicklung
Für die Gebäudedämmung sind entsprechende Aerogel-Platten oder -Vliese auf Basis von Silikat bereits erhältlich. „Die biobasierten kommen als neue Option dazu. Wir haben uns dem Auftrag verschrieben, Superdämmstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu entwickeln und herzustellen. Die Entwicklung ist auch schon sehr weit vorangeschritten. Damit kommen wir aus unserer Sicht rechtzeitig. Es bedarf jetzt der Lösungen und nicht in ein paar Jahren“, sagt Geschäftsführer Fricke. Dafür hat das Unternehmen 2023 den Klimaschutzpreis des Landes Niedersachsen bekommen.
Auch im Bereich Elektro-Mobilität haben die Gründer einen Bedarf für ihre neue Technologien gesehen, insbesondere unter dem Aspekt der Sicherheit: Dünnste Aerogel-Plättchen, die aussehen wie After-Eight-Täfelchen, können sowohl in den Lithium-Ionen-Batterien zwischen den Zellen als auch außen herum als Hitzeschild eingebaut werden. Im Fall einer sogenannten Durchgehreaktion („thermal propagation“) innerhalb einer Batterie, bei der Hitze und auch Feuer entsteht, wird die Ausbreitung gebremst. Ganz unterdrücken lässt sie sich nicht, aber diese thermische Trennung verschafft den Menschen im Auto im Fall einer Havarie ein wichtiges Zeitfenster, um das Fahrzeug rechtzeitig zu verlassen.
Aufbau einer Produktion als Meilenstein
Ein großer US-amerikanischer Elektroauto-Pionier setzt solche Aerogel-Hitzeschilde bereits in den Fahrzeugen aus seiner chinesischen Produktion ein. Die Batterie-Packs mit dieser Funktion bezieht der Auto-Konzern von einem führenden chinesischen Batteriehersteller, der seinerseits einen weltweit führenden Partner für die Herstellung der Aerogele und Hitzeschilde hat, mit dem die niedersächsische aerogel-it GmbH zusammenarbeitet. „Dieser Hersteller muss seine Kapazitäten in China jedes Jahr verdoppeln. Der chinesische Markt ist also erschlossen, dort sind Standards gesetzt. Wir fragen uns aber: Was passiert hier in Deutschland und in Europa?“, erklärt Fricke.
Im Hinblick darauf suchen die beiden Geschäftsführer hierzulande nun die passenden Partner mit dem nächsten großen Meilenstein vor Augen: „Wir können bereits fertige Produkte anbieten, sind in entsprechenden Projekten unterwegs und mit potenziellen Kunden im Gespräch. Parallel entwickeln wir weitere neuartige Materialien und Lösungen zum Thema Wärmemanagement – um in Deutschland eine Produktion aufzubauen.“ Denn diese gebe es bislang nicht, insbesondere für die Anwendung der Superdämmstoffe.
„Im Grunde brauchen wir einen Partner, der den Bedarf hat, unsere Lösung testet und dann sagt, ich brauche in 3 Jahren 5 Millionen Stück Aerogel-Hitzeschilde, dann können wir eine Anlage bauen“, so Fricke. In einer Produktionshalle in der Nähe von Osnabrück soll die erste Anlage aufgebaut werden. Eine Pilotanlage an der TUHH wird aktuell in Betrieb genommen. Dabei geht es um verschiedenste Materialien und Anwendungen.
E-Mobilität, Batterie
Gründungsjahr: 2021
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 7 Gründer/Gesellschafter, 4 Angestellte
aerogel-it GmbH
Albert-Einstein-Str. 1, 49076 Osnabrück
„Es gibt nicht viele Aerogel-Experten weltweit, und das Thema scheint gerade an Fahrt aufzunehmen. In Deutschland ist die Herstellung von Aerogelen ein technologischer Schritt, der nahezu neu ist. Als Industrienation hätten wir jetzt eine Chance, die wir entweder ergreifen oder verstreichen lassen können. Dafür brauchen wir Partner und eine Finanzierung. Aufgrund des starken Marktwachstums muss zudem schnell hochskaliert werden. Jedes Muster ist schön, aber die Kunden wollen auch wissen, wann sie das Produkt kaufen können, und das in Millionenstückzahlen. Dann müssen wir in der Lage sein zu liefern, und dafür muss in Fabriken investiert werden.“
Aerogel-Materialien bestehen zu 95 Prozent aus luftgefüllten Poren
Bilder: aerogel-it, AANds
Drei Fragen an: Dr. Marc Fricke
Was genau ist das Alleinstellungsmerkmal von aerogel-it?
Fricke: In Bezug auf die Anwendung ist es das Aerogel-Knowhow, das wir haben: Das Wissen über diesen Grundstoff, den ich brauche, um die Anforderungen zu erfüllen, und die entsprechende industrielle Herstellung. Es gibt nicht viele Experten, die dieses Knowhow haben. In Deutschland hat dieses Wissen fast niemand, und auch weltweit gibt es nur eine Handvoll Experten. Wir kennen uns alle gut, die Aerogel-Community ist klein. Wir treffen uns alle zwei Jahre, zuletzt z.B. in Hamburg. Entsprechend haben wir hier vor Ort ein Alleinstellungsmerkmal, da wir in der Lage sind, neue Aerogele zu entwickeln und herzustellen. Das machen viele der aktuellen Spieler nicht. Die meisten Hersteller stellen ähnliche Produkte zu den bereits seit Jahrzehnten existierenden her und nutzen alte Produktionstechnologie. Plus: Wir kennen die Anforderungen der Batteriehersteller und wissen, was gebraucht wird, um Materialien für das Wärmemanagement in der Batterie anbieten zu können. Mit einem Partner und Finanzierung können wir sofort loslegen und unsere neue Technologie skalieren. Wobei es für uns gut ist, dass wir heute schon ein Produkt zeigen können. Das schafft Glaubwürdigkeit. Wenn wir als kleines Unternehmen sagen: ‚wir haben eine Lösung‘, dann kann das jeder behaupten. Wenn man aber schon mal ein Produkt auf den Tisch legen kann, das erprobt und geprüft ist, hat das einen ganz anderen Wert.
Einer Ihrer nächsten Meilensteine ist eine eigene Produktionsanlage. Warum ist es wichtig, in Deutschland zu produzieren und zu vermarkten?
Fricke: Wir haben eine starke Automobilindustrie in Deutschland, und die sehen es gerne, wenn sie ihre benötigten Komponenten vor Ort beziehen können. Dabei geht es um Liefersicherheit, aber auch um Technologiezugang. Es gibt wie erwähnt nicht viele Aerogel-Experten weltweit, und das Thema nimmt gerade an Fahrt auf In Deutschland ist die Herstellung von Aerogelen ein technologischer Schritt, der nahezu neu ist. Als Industrienation hätten wir jetzt eine Chance, die wir entweder ergreifen oder verstreichen lassen können. In dieser Richtung führen wir Gespräche entlang der gesamten Wertschöpfungskette, mit den Batterieherstellern und den OEMs, um herauszufinden, wie relevant das Thema Aerogeltechnologie für sie wirklich ist. Der nächste Meilenstein wäre, dass bestehende Produkte, die wir heute schon anbieten können, in Deutschland bzw. Europa zum Einsatz kommen. Parallel entwickeln wir verbesserte Materialien und Prozesstechnologie, die das Ganze kostengünstiger machen. Dafür brauchen wir Partner und eine Finanzierung. Aufgrund des starken Marktwachstums muss zudem schnell hochskaliert werden. Jedes Muster ist schön, aber die Kunden wollen auch wissen, wann sie das Produkt kaufen können, und das in Millionenstückzahlen. Dann müssen wir in der Lage sein zu liefern, und dafür muss in Fabriken investiert werden.
Welche Bedeutung hat dabei der Standort Niedersachsen?
Fricke: Aktuell haben wir unser Hauptquartier in Niedersachsen, konkreter in Osnabrück. Die Firma wurde hier gegründet und angemeldet. Einen weiteren Standort haben wir in Hamburg-Harburg. Das ist durch unsere Historie begründet, da drei unserer Mitgründer dort seit vielen Jahren an der TUHH arbeiten. Dort können wir zudem Labor- und Technikumsflächen nutzen, was uns in der Anfangsphase sehr hilft. Wir haben uns auch schon ein Grundstück in Niedersachsen gesucht – einen Steinwurf entfernt von Osnabrück –, um unsere erste Produktionsanlage bauen zu können. Das Engineering ist weit fortgeschritten, und alles hängt jetzt davon ab, wie schnell wir die Finanzierung sicherstellen können. Dafür brauchen wir entsprechende Kundenaufträge, die allerdings nicht nur aus dem Automobilbereich kommen werden.