AG Reederei Norden-Frisia

Dampf, Diesel, Strom: Die Transformation des ostfriesischen Inseltourismus

Mit „Volldampf voraus“ heißt es bei der Reederei Norden-Frisia schon längst nicht mehr. Stinkende Diesel-Wolken sollen ebenfalls bald der Vergangenheit angehören. Das Traditionsunternehmen will seine Mobilitätsangebote zu Wasser und zu Lande nachhaltiger gestalten – und hat dazu mehrere Projekte gestartet. Herzstück wird ein E-Katamaran sein, der mit eigenem Öko-Strom aufgeladen wird.

Treiber ist dabei nicht nur die Sorge um Natur und Umwelt. Es geht vor allem darum, „alle Prozesse, die sich um das ‚Kerngeschäft Fähre‘ drehen, zu verbessern“, wie Prokurist Olaf Weddermann erläutert. Ziel sei es, Gäste und ihr Gepäck ans Ziel zu bringen, möglichst bequem, ohne lange Wartezeiten, aber auch nachhaltig.

So bietet die Reederei den Gästen zum Beispiel E-Roller, E-Bikes und E-Cargo-Bikes an, und den Insulanerinnen und Insulanern Elektro-Mietwagen für Fahrten auf dem Festland. Durch immer weitere derartige Ideen ist die Frisia inzwischen zu einem regionalen Konzern mit elf Marken und Tochtergesellschaften geworden. Als regional stark verwurzeltes Unternehmen habe man sich der Verpflichtung verschrieben, „etwas zu säen, was die nächste Generation ernten kann“, so Weddermann. Zu den größten Herausforderungen gehöre die Elektromobilität.

Auf Kurs Richtung Elektro-Fähre: Olaf Weddermann, Prokurist der Reederei Norden-Frisia (Mitte) und Maraike Pommer, Projektmanagerin Energy und E-Mobility, mit dem kommissarischem Leiter des Bereiches Mobilität und Energie am Innovationszentrum Niedersachsen, Dr. Norbert Gebbe. Bild: AANds

Jährlich wickelt die Reederei 13.000 Schiffsabfahrten ab und befördert rund 2,6 Millionen Fahrgäste. Auf dem Festland hält sie für diese 6.000 Parkplätze bereit und hält ab März 2024 in Norddeich 262 Ladepunkte bereit, an denen Urlauber ihre E-Autos während ihres mehrtätigen Aufenthalts auf den Inseln aufladen lassen können. Dies wiederum soll mit Strom aus den eigenen Solaranlagen geschehen. Auf den Carports des Parkplatzes P2 und auf einer Freifläche baut sie dafür Anlagen mit insgesamt 2,4 MW Leistung. Diese sollen dann auch eine E-Fähre speisen.

„Unsere Vision ist so viel Energieautarkie wie möglich“, erklärt Maraike Pommer, die Projektmanagerin Energy und E-Mobility bei Frisia. Die Ideen seien einzeln und nacheinander entstanden und würden durch ein eigens entwickeltes Lademanagement optimal miteinander verbunden. Dafür sind aber noch einige Schritte nötig. „Wir bieten hier ein riesiges Reallabor an und sprechen auch gerne über unsere Lernkurven, denn die E-Fähre, unser E-Katamaran, wird voraussichtlich im Sommer 2024 ausgeliefert“, sagt Prokurist Weddermann.

Über der Idee steht zudem das Thema des Bidirektionalen Ladens von E-Autos: Wie kann überschüssiger Strom zwischengespeichert werden? Wann und wie werden die rechtlichen Fragen des bidirektionalen Ladens geklärt sein? Unter welchen Bedingungen sind die Kundinnen und Kunden bereit, einen Parkplatz mit Stromanschluss zu mieten und den Speicher ihrer Autos zur Verfügung zu stellen? Welche Auswirkungen hat das auf die Batterien?

Die Macherinnen und Macher von Frisia lassen sich jedenfalls nicht beirren, suchen nach Forschungsprojekten, um genau diese Fragestellungen zu klären und verfolgen ihr Ziel nach ostfriesischer Art, wie Weddermann es beschreibt:  Anpacken und aus der Herausforderung eine Lösung machen – und das schnell und unkonventionell-hemdsärmelig und vor allem: vor der eigenen Haustür und in realistischen Schritten.

Nachhaltige Mobilität, E-Mobilität



Gründungsjahr: 1871 als „Dampfschiffs-Rhederei Norden“
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 280


AG Reederei Norden-Frisia
Am Hafen 1, 26548 Norderney

info@reederei-frisia.de
www.reederei-frisia.de

Weitere Standorte in Niedersachsen:
Mole Norddeich 1, 26506 Norden
Am Hafen 1, 26571 Juist

 


„Wir arbeiten sehr lokal betont und wollen die Wertschöpfung auch da positionieren, wo wir herkommen. Deshalb brauchen wir Partner und Akteure aus der Umgebung, die auch aus Überzeugung handeln.“

Maraike Pommer, Projektmanagerin
Energy und E-Mobility
bei der Reederei Norden-Frisia

Drei Fragen an: Maraike Pommer

An welcher Stelle im Transformationsprozess befindet sich die Reederei Norden-Frisia derzeit?

Pommer: Die Solaranlagen, die Ladesäulen, der E-Katamaran – diese Ideen sind nacheinander entstanden. Dann haben wir geschaut, wie das zusammen geht und ob es nicht vielleicht schlauer wäre, mit der Energie den Katamaran zu versorgen. Hier auf dem Parkplatz Norddeich haben wir unsere Anlagen und auch die E-Ladesäulen mit regionalen Partnern gemeinsam entwickelt. Weil wir am Ende damit umgehen müssen. Wir sind zudem Fans von engagierten Start-Ups mit eigenen Visionen, denen wir vor Ort eine Plattform für Prototyping bieten. Das gehört zu unserer Philosophie dazu.

Wie genau zeigt sich diese Bindung der Reederei an die Region?

Pommer: Wir legen Wert auf direkten und unkomplizierten Kontakten zu unseren Partnern. Im Problemfall müssen wir uns darauf verlassen können, dass der Service schnell verfügbar ist. Wir schätzen die Zusammenarbeit hier vor Ort. Da geben wir eine Problemstellung hin und bekommen aus dem Netzwerk eine Rückkopplung. Wir wollen mit Akteuren zusammenarbeiten, die genau wie wir aus Überzeugung handeln – und dabei wollen wir das Gefühl haben, dass unsere Partner technisch in der Lage sind, das zu können, was wir brauchen. Wir haben dabei keinesfalls den Anspruch, dass wir Entwickler werden. Also unsere Philosophie ist es, Wertschöpfung da zu positionieren, wo wir herkommen. Wir machen aus der Herausforderung eine Lösung. So haben wir insgesamt gesehen das Unternehmen gut aufgestellt.

Wie sehen die nächsten Meilensteine aus?

Pommer: Unsere bisherigen 20 Ladepunkte werden gut genutzt. Wir werden untersuchen, wie sich das mit den neuen 242 Ladepunkten verhält. Zudem bekommen wir im Sommer den Elektrokatamaran. Hier haben wir vorab Lastgänge simulieren lassen, um eine optimale Energieverteilung zu erreichen. Inwieweit sich unsere Annahmen im ersten Jahr mit der Realität decken, wird spannend. Der nächste wichtige Schritt wird sein, einen Batteriespeicher in das System einzufügen. Und wir sind nach wie vor auf der Suche nach spannenden Forschungsprojekten zum Thema Bidirektionales Laden von Elektroautos. Die technische Machbarkeit ist bewiesen – es gilt aber den Business Case an sich zu untersuchen, die rechtlichen Fragen und den Mehrwert, für den der Kunde bereit ist sein Auto zur Verfügung zu stellen.