Mit Blaulicht in die elektromobile Zukunft: Gemeinsam mit Vertretern aus dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung hat ein Team der Automotive Agentur Niedersachsen auf der IAA Transportation mehrere niedersächsische Unternehmen aus der Nutzfahrzeug- und Zuliefererbranche besucht. Im Mittelpunkt standen Ideen für Elektrifizierung, Automatisierung, Connectivity und Nachhaltigkeit, mit denen die größeren und kleineren Unternehmen die Transformation erfolgreich meistern wollen.

Die Lösungen reichen dabei von kompletten E-Mobilen und Antrieben über Fahrzeugteile wie Aufbauten für Fahrerassistenzsysteme und Hochleistungssensoren bis hin zu Datenmanagement, Engineering-Dienstleistungen und der Nutzung von Energie- und CO2-Einsparpotenzialen in Produktion und Logistik.

Autonome Transporter und schlaue Reifen

Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) zeigte auf der IAA Transportation als Messepremiere seinen ID.Buzz als vollelektrisches Fahrzeug für den Personen- und Gütertransport. Gleichzeitig hatten die Nutzfahrzeug-Experten Umbaumöglichkeiten als Notarzteinsatzwagen, Kühlwagen und für diverse andere Zwecke mit zur Messe gebracht. Doch bei VWN steht nicht nur die Elektrifizierung im Fokus: Innerhalb des Volkswagen Konzerns verantwortet VWN die Entwicklung des Vollautonomen Fahrens im Bereich Maas/TaaS (Mobility/ Transport as a Service) und will schon 2025 mit MOIA den kommerziellen Betrieb von selbstfahrenden Personenshuttles in Hamburg anbieten. „Diese Angebote, die weit über das Fahrzeug hinausgehen, werden einen wichtigen Beitrag leisten für den zukünftigen Mobilitätsmix und die Verkehrswende“, sagte Christian Kassyda, Außenbeziehungen Volkswagen Nutzfahrzeuge.

Bei Continental waren die Reifen der neuesten Generation zu sehen, die im Sinne der Nachhaltigkeit auf Kraftstoff-Einsparung und geringere Geräusch-Emissionen optimiert wurden. Ein Sensor sorgt dabei für die nötige Intelligenz: „Er misst Luftdruck und Temperatur, schickt Warnungen und Meldungen ins Cockpit und behält KI-basiert das Reifenprofil im Blick, so dass diese rechtzeitig gewartet werden“, erklärte Markus Zierer, Leiter des Kundenmanagements für Nutzfahrzeuge bei Continental.

Higtech-Sensoren und Allzweck-Aufbauten

Ingo Dietterle präsentierte der Besuchergruppe sein Startup „Hybrid Lidar Systems“. Es bietet Hochleistungssensoren für das autonome Fahren und Fahrerassistenzsysteme, die besonders viel Pixel auf kleinster Fläche unterbringen. Allerdings gibt es bislang nur das Gehäuse, weil Elektronik Mangelware ist, die Preise gestiegen und Lieferketten gerissen sind. Der Geschäftsführer rechnet mit einem Verkaufsstart in der zweiten Jahreshälfte 2023.

Mit ihren Aufbauten für Sattelschlepper ist das Unternehmen Fahrzeugbau Carnehl weniger von den technologischen Veränderungen bei den Antrieben betroffen. Sie werden zwar angepasst und aus leichterem Material hergestellt, um mehr Zuladung zu ermöglichen, aber das habe „wenig mit der Elektrifizierung zu tun“, berichtete Monika Carnehl-Blumenhagen. Von den hohen Strom- und Gaspreisen sei das Unternehmen „sehr betroffen“. Auch Personal sei „so gut wie nichts zu bekommen“.

Antriebsoptimierung und effiziente Logistik

Themenmanager Olexander Filevych löst per Knopfdruck die Anstriebssteuerung aus.

Eine aktive Antriebssteuerung für Elektrofahrzeuge konnte auf dem Stand der Fahrzeugwerk Bernard Krone GmbH angeschaut und sogar ausprobiert werden. Per Knopfdruck setzte sich das damit gekoppelte Rad in starke Bewegung. Außerdem arbeitet das Unternehmen an einem System, um freie Lagekapazitäten in Lkw zu berechnen. Per Kamera wird dabei der Laderaum gescannt. Das System meldet zudem, wenn es Probleme gibt, zum Beispiel die Ladung verrutscht ist. Ein use case sei nun der nächste Schritt, erläuterte Vertriebsleiter Maximilian Birle.

Bei ZF gab es einen Überblick über die großen Geschäftsfelder, in denen sich das Unternehmen aufstellt: Elektrifizierung, Automatisierung, Connectivity. Es zeigte einen elektrischen Zentralantrieb für Nutzfahrzeuge, die in die Achse eingebaut werden, um mehr Platz für die Batterien zu haben. Außerdem wird die Generation von Assistenzsystemen entwickelt, „die in Lkw künftig verpflichtend sind“, erklärte Philipp Helmich von ZF. Im Bereich Connectivity geht es ZF darum, Logistik und Daten zusammenbringen und für mehr Effizienz zu sorgen. Die Sicherung dieser Daten gegen Cyber-Attacken gehört ebenfalls zu den Herausforderungen, mit denen sich das Unternehmen beschäftigt.

Übertragung in andere Branchen

„jestern war ich noch’n Diesel“. Das Team der Automotive Agentur Niedersachsen und die Vertreter von IAV nach ihrer kleinen Rundreise in alter Karosserie mit neuem Antrieb.

Zum Schluss gab es noch eine exklusive Rundfahrt in einem altgedienten Sightseeing-Bus mit offenem Oberdeck, den die IAV GmbH auf einen Elektroantrieb umgerüstet hat – also ein Beispiel für Transformation zum Anfassen. IAV ist ein Engineering-Dienstleister von Entwicklern für Entwicklern, erklärten Dr. Christoph Bertram und Jens John aus den Abteilungen Kundenbetreuung und Verkaufsmanagement. “Wir verkaufen unser Knowhow für Entwicklungsprozesse in Unternehmen.“ Dabei werden Technologien aus unterschiedlichen Welten verknüpft, mit dem Ziel, Mobilität besser zu machen. Inzwischen hat das Unternehmen damit begonnen, Tools aus dem Bereich Automotive auch in andere Bereiche wie Infrastruktur oder Robotik zu übertragen.

 

Wie gut sich die niedersächsischen Unternehmen für die Transformation aufgestellt sehen und welche Herausforderungen sie erwarten, lesen Sie in unserer Galerie.