Dr. Gerrit Schrödel ist seit März 2022 neuer Geschäftsführer des ITS mobility e.V. Der Soziologe und promovierte Geograph hat sich bereits während seiner Zeit an der Universität Göttingen mit Städten (Smart Cities) und Mobilität befasst. Über die Konzernforschung der Volkswagen AG führte sein Weg weiter zur Wolfsburg AG, bei der er von 2015 bis 2021 als Leiter der Abteilung Mobilitätsforschung smarte und digitale Mobilitätsprojekte am Standort Wolfsburg und in der Region prägte. Im Interview mit dem Automotive Agentur-Newsletter erläutert er zunächst, welche Themenschwerpunkte er beim ITS mobility e.V. setzen will:
Der ITS mobility e.V. ist eine der mitgliederstärksten ITS-Organisationen Europas. Das sind wir nicht ohne Grund, denn auch bisher wurden treffende Themenschwerpunkte gesetzt. In diesem Jahr ist unser Thema bspw. „Transformation der Automobilindustrie“. Ein naheliegendes Thema, da Wirtschaft und Gesellschaft sich in den letzten Jahren so dynamisch verändert haben wie selten zuvor. Im Automotive- & ITS Bereich heißt das vor allem, dass sich Arbeit verändert. Nicht nur, weil das Homeoffice und mobiles Arbeiten mittlerweile zum Alltag gehören, sondern weil der technologische Wandel im Mobilitätssektor eine Vielzahl neuer Qualifikationen von den Beschäftigten verlangt. So definieren wir jährlich einen neuen Schwerpunkt, der für unsere Mitglieder Relevanz hat.
Frage: Es gibt viele innovative Technologien und Konzepte, die die Mobilität von morgen sicherer und effizienter machen können und sollen. Im Moment ist viel von Wasserstoff-Antrieben die Rede. Welche Technologien werden sich Ihrer Einschätzung nach durchsetzen?
Ich denke, dass der Faktor Effizienz in den nächsten Jahren viel stärker als bisher das maßgebliche Kriterium für erfolgreiche neue Mobilitätsprodukte sein wird. Das können wir heute bei den PKW-Antrieben bereits miterleben, unabhängig davon, ob die Antriebs-Energie aus Brennstoffzellen oder aus Elektrobatterien kommt. Es gibt darüber hinaus jedoch viele weitere Bereiche, die bspw. mithilfe der Digitalisierung zu einer wesentlich höheren energetischen Effizienz unseres Mobilitätssystems beitragen können. Ich denke da bspw. ans Verkehrsmanagement und smarte Städte, digitalisierte Straßen und die Generierung von Daten, die es Algorithmen und Services erlauben, unsere Bewegungen effizienter aufeinander abzustimmen.
Frage: ITS mobility ist ein großes Kompetenzcluster für intelligente Mobilität in Deutschland und beteiligt sich an zahlreichen Forschungs- und Pilotvorhaben für automatisiertes und vernetztes Fahren Bislang gehören dem Verein mit Sitz am Forschungsflughafen in Braunschweig mehr als 200 Mitglieder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden, Städten und Gemeinden an. Welche Strategien haben Sie im strukturellen Bereich?
Wir sind stark durch unsere Mitglieder und das, was uns stark macht, gilt es zu pflegen und Mehrwerte für unsere Mitglieder zu generieren. Das erreichen wir heute und in Zukunft durch ganz verschiedene Angebote. Wir vernetzen beispielsweise durch Veranstaltungen. Wir unterstützen durch Projektanbahnungen, wir flankieren die Kommunikation unserer Mitglieder und wir sorgen dafür, dass der Wandel der Mobilität durch unser Netzwerk mitgestaltet wird. Die erstgenannten Themen sind die Pflicht, die Mitgestaltung der Zukunft die Kür. Hierfür sind nicht zuletzt eine gute Vernetzung und das Gespür für Themen, die unser Netzwerk bewegen, wichtig.
Frage: Es gibt den ITS mobility e.V. und als Tochterunternehmen die GmbH. Sie leiten beides. Was genau ist der Unterschied?
ITS mobility e.V. ist der gemeinnützige Netzwerkverein für unsere Mitglieder, das sind Unternehmen, die sich der ITS-Community zuordnen. ITS mobility Germany GmbH ist unsere operative Umsetzungsgesellschaft für Veranstaltungen auf der nationalen und internationalen Ebene. Daneben gibt es noch die ITS mobility GmbH, die als Projektgesellschaft Forschungsthemen und Entwicklungstechnologien vorantreibt und die von meinem Kollegen Steve Schneider verantwortet wird.
Frage: ITS ist ein internationales Thema. Besonders deutlich wurde das auf dem Weltkongress in Hamburg letztes Jahr. Wie wirkt der ITS mobility e.V. im internationalen Kontext?
Nach dem Kongress ist vor dem Kongress: So findet dieses Jahr der ITS Europakongress in Toulouse statt, an dem wir teilnehmen und bereits der nächste Weltkongress in Los Angeles. Wir ermöglichen es unseren Mitgliedern bei Interesse auf diesen und weiteren Veranstaltungen ihre Themen zu präsentieren und sich über aktuelle weitere Themen zu informieren. Darüber hinaus planen wir aktuell im DACH-Raum eine Veranstaltung, die zum länderübergreifenden Austausch einladen wird.
Frage: Sie sind schon lange in dem Bereich Mobilität tätig. Wann und wie fing das an, dass Sie sich dafür begeistert haben?
Noch während meiner Doktoranden-Zeit in Göttingen wurde mir mehr und mehr klar, dass uns ein wesentlicher sozioökonomischer Wandel bevorsteht. Die Grenzen des ökonomischen Wachstums waren damals erreicht und sind mittlerweile überschritten. Unser aller Lebensstandard kann nur mit neuen Strategien und stark verbesserter systemischer Effizienz gehalten werden. Ich wollte damals nicht nur darüber nachdenken und schreiben, vielmehr wollte und will ich den Wandel mitgestalten. Also habe ich mich darum bemüht einen Einstieg in die Automobil-Wirtschaft zu finden, die für mich die größten Veränderungspotenziale hatte. 2012 begann mein Weg in der Konzernforschung bei VW in Wolfsburg. Seitdem habe ich in unterschiedlichen Unternehmen viele spannende Themen und Projekte gestalten dürfen und wurde in meiner damaligen Hoffnung bis heute nicht enttäuscht!
Frage: ITS mobility bietet ein breites Spektrum an Beratungs-, Netzwerk- und Management-Dienstleistungen an. Welche Themen und Ziele wollen Sie gemeinsam mit Automotive Agentur Niedersachsen umsetzen?
Netzwerke sind wichtig, da sie Keimzellen von Kooperationen, Projekten und Innovation sind. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen und starke Partnerschaften bilden, die in neuen Formaten, neuen Ideen und neuen Projekten münden. Dabei können wir, denke ich, sehr gut wechselseitig profitieren, in dem wir auf die Kompetenz des jeweils anderen zurückgreifen. Konkret könnte ich mir gemeinsame Veranstaltungen und Expertenrunden zu verschiedenen Themen zum Beispiel zur Transformation der Automobilindustrie gut vorstellen. Niedersachsen ist ein zentrales Cluster der Automobilindustrie in Deutschland. Gemeinsam sind wir noch besser darin, die Region national und international zu stärken!
Vielen Dank für das Gespräch!
(Bild: Taras Makarenko/pexels)