Es war eine großartige Woche: Fahrten im autonomen Auto, ein selbständig agierender Feld-Roboter, hochfeine Sensoren und ein VR-Blick in den Nebel und virtuelle Fahrzeuge, die für echte Fußgänger anhalten. Gemeinsam mit vier in Niedersachsen ansässigen Forschungsinstituten hat die Automotive Agentur Niedersachsen auf der Hannover Industriemesse 2023 den aktuellen Forschungs- und Anwendungsstand von autonomer und vernetzter Mobilität präsentiert. Zudem war der Bereich Mobilität und Energie des Innovationszentrums Niedersachsen zum Thema Wasserstoff auf der Messe aktiv.

Gemeinschaftsstand in Halle 14

Die Showcases, der gemeinschaftliche Messestand und verschiedene Slots, u.a. eine Panel-Veranstaltungen mit allen Beteiligten des Gemeinschaftstands, in der „Industrial Wireless & 5G Arena“ in Halle 14 sind so gut angekommen, dass alle sehr zufrieden waren und eine durchweg positive Bilanz gezogen haben.

Das Niedersächsisches Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF), die Physikalisch-Technische Bundeanstalt (PTB), das DLR Institut für KI-Sicherheit, das DLR Institut für Verkehrssystemtechnik (alle in Braunschweig) sowie das Deutsche Forschungszentrum Künstliche Intelligenz (DFKI) in Osnabrück waren beeindruckt von der Resonanz von Politik und Publikum auf  automatisierte und autonome Mobilität. Die Automotive Agentur Niedersachsen freut sich, dass sie mit der Organisation des Messeauftritts einen wertvollen Beitrag zur Zukunft des autonomen Fahrens in Niedersachsen leisten konnte.

Das Fazit der Mitaussteller: Die Messe hat die Forscherinnen und Forschern in ihrem Tun bestätigt. Sie wurden verstärkt wahrgenommen, konnten viele interessante Kontakte knüpfen und Netzwerke pflegen. Sie haben Ideen für ihre weitere Arbeit bzw. Impulse für neue Geschäftsfelder mitgenommen – und die vielleicht wichtigste Erkenntnis: Die Lösungen und Antworten auf viele Fragen der Digitalisierung und Sicherheit sind jetzt da und greifbar. Die Technologie braucht als nächstes den Realbetrieb.

Showcases der Mitaussteller

Das NFF hatte „Teasy III“ und „Tiamo II“ mitgebracht – zwei Autos, die autonom unterwegs sind.  Die Möglichkeit, ein Stück auf dem Messeschnellweg mitzufahren bzw. im Auto dabei zu sein, wenn die beiden Wagen selbsttätig, ohne Eingreifen des Fahrers, eine „Rettungsgasse“ bilden, wurde zu einem Highlight während der Messe.

Auch Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies ließ sich diese Erfahrung nicht entgehen und äußerte sich beeindruckt. Er habe bereits Vertrauen in die Technik gehabt, nun aber das zusätzliche Vertrauen gewonnen, dass „wir in Niedersachsen wirklich in der Lage sind, mit Knowhow und Kompetenz das Thema autonom fahren wirklich voranzubringen“. Jetzt gehe es darum, Schritt für Schritt weiterzugehen. Gut und wichtig sei, dass autonomes Fahren auf der Messe „erlebbar“ wurde.

Einige der Mitfahrenden, die ebenfalls im „Teasy III“ unterwegs waren, hatten zunächst Ängste formuliert. Hinterher aber überwog die Begeisterung: Sie hätten sich gut und sicher gefühlt, so ihre Rückmeldung im Nachhinein. Während der Radio-Reporter von NDR 1 Niedersachsen an Bord war, um über die Funktionsweise von Scannern, Kamera und Radar zu berichten und der NFF-Ingenieur gerade die Hände vom Lenkrad genommen hatte, bewies die Technik, dass sie in einer heiklen Situation gut reagiert: Der Wagen bremste sofort, als vom Beschleunigungsstreifen ein anderes Fahrzeug knapp einschert.

"Unser Thema" - Hannover Messe 2023 - NDR 1 Niedersachsen

Für das Auto namens „Mopas“, das PTB zur Hannover Messe mitgebracht hatte, steht die Straßenzulassung kurz bevor. Auch hier ist die Technologie des NFF eingebaut – und darüber hinaus hochsensible Messtechnik zur Wahrnehmung von Straße, Menschen und Umfeld. Hier wurde mithilfe einer „Nebelwand“ gezeigt, wie diese bei Wettereinschränkungen reagiert. Die PTB will künftig die Sicherheit des autonomen Fahrens in einem Forschungszentrum namens „TI CAR“ untersuchen. Wie das einmal aussehen wird, konnten die Besucherinnen und Besucher der Hannover Messe mithilfe einer VR-Brille anschauen. Die Intensität des Nebels oder auch Regen konnte dabei mit dem Joystick variiert werden.

Führende Landespolitiker zu Gast

Die Präsentationen der PTB und des NFF stießen insbesondere auch bei der Politik auf großes Interesse. Nicht nur Ministerpräsident Stephan Weil informierte sich über die anwendungsorientiere Forschung im Bereich vernetztes und autonomes Fahren, die in Niedersachsen in ein Ökosystem aus Autoherstellern und Zulieferern eng eingebunden ist. Wissenschaftsminister Falko Mohrs konnte sich davon überzeugen, dass zum Gelingen der Transformation ein intensiver Austausch zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen bedeutend ist, um Wissen gut zu transferieren und schnell in Geschäftspotenziale umsetzen zu können.

Finanzminister Gerald Heere wollte wissen, wie die Automotive Agentur Niedersachsen mit ihrem Projekt Transformationsbegleitung Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vernetzt, den Wissenstransfer unterstützt, Projekte initiiert und Impulse gibt. Staatssekretär Stephan Manke aus dem niedersächsischen Innenministerium interessierte sich im Gespräch insbesondere für die Zulassungsverfahren und Anwendungsmöglichkeiten des automatisierten Fahrens im ländlichen Raum – sowie für die Technologie in den bereits eingerichteten Bereichen des Testfelds Niedersachsen des DLR Institut für Verkehrssystemtechnik.

Sensorik für Feld und Umfeld

Zum Testfeld Niedersachsen gehört auch das Messegelände in Hannover mit seinem 5G-Kommunikationsstandard. Das DLR stellte daher im Rahmen der Gemeinschaftspräsentation sein mobiles System auf, mit dessen Hilfe der reale Straßenraum und eine AR-Simulation des Verkehrsbetriebs „übereinandergelegt“ werden können. So war auf einem großen Bildschirm zu sehen, wie (virtuelle) autonom fahrende Autos für (echte) Fußgänger am (real aufgeklebten) Zebrastreifen anhalten. Mit solchen mobilen Szenarien kann das DLR vor Ort in Kommunen testen, ob bestimmte Bereiche für das automatisiertes Fahren geeignet sind oder welche Veränderungen notwendig wären.

Große Aufmerksamkeit zog der autonome Feld-Roboter „Lero“ des DFKI bzw. des Spinn-Off-Unternehmens „Nature Robots“ auf sich. Anhand von zwei kurzen, auf der Messe mit Stroh aufgeschütteten Acker-Reihen mit Tomaten- und anderen Gemüsepflanzen konnte er zeigen, wie er selbständig zum Feld rausfährt und die dort angebauten Pflanzen überwacht. Die gesendeten 3D Bilder konnten auf einem Bildschirm analysiert werden. Sie geben allen, die mit Pflanzenbau zu tun haben, wertvolle Handlungsempfehlungen. „Lero“ und seine „Väter“ haben es damit ins Fernsehen geschafft und wurden in der Sendung „Sat1 Regional“ vorgestellt. Auch in den Nachrichten des „Fahrgastfernsehens“ in Hannovers Stadtbahnen wurden Bilder gezeigt.

Die Showcases im Video

Zukunft des Wasserstoffs in Niedersachsen

In Halle 12, schräg gegenüber, stellten Unternehmen und Initiativen zum Thema Energie aus, vor allem ging es um Wasserstoff. Der Bereich Mobilität und Energie des Innovationszentrums Niedersachsen war auf dem Gemeinschaftsstand Niedersachsen präsentiert. Themenmanagerin Gunda Fahrenkrog nutzte die Gelegenheit zur Vernetzung, u.a. mit regionalen Initiativen wie der „Allianz für die Region“ (Braunschweig), mit denen auch die Automotive Agentur bzw. der Bereich Mobilität intensiv kooperiert. Außerdem konnte sie Aussteller und Vortragsredner für die am 5. Oktober in Salzgitter geplante Fortsetzung der Veranstaltung „Wasserstoff – Chancen für kleine und mittlere Unternehmen“ ansprechen. Auch ein Wiedertreffen mit Vertreterinnen und Vertretern einer japanischen Firma gab es, die im vergangenen Sommer bereits an einer Inbound-Delegationsreise zum Thema Wasserstoff in Niedersachsen und Bremen teilgenommen hatte.

Panel-Vorträge und Diskussion

Ergänzend zu den Automotive-Messeständen und den Showcases war Gelegenheit, auf der Bühne in der „Industrial Wireless & 5G-Arena“ in Panel-Vorträgen sowie mit einer gemeinsamen Diskussion die Thematik zu präsentieren. Moderiert vom Clustermanager der Automotive Agentur Niedersachsen, Barkin Özkaya, stellten sich die Vertreter von DLR KI-Sicherheit, PTB, NFF und DFKI der Frage „Wie sicher ist autonomes Fahren?“. Dabei wurde deutlich, dass es beim autonomen Fahren verschiedene „Ebenen“ des Wortes Sicherheit gibt und dass die gesellschaftlichen, wie auch die ethischen Anforderungen hoch sind. Der Anspruch sollte sein, dass sich die autonomen Fahrzeuge sicher und zurückhaltend im Verkehr bewegen.

Da kritische Situationen im Testbetrieb nicht absichtlich herbeigeführt werden dürfen, müsse dies digital geschehen, erläuterte Dr. Thorsten Schrader von der PTB. Die Bundesanstalt plant daher eine Großlabor, in dem die Sicherheit im Zusammenspiel der Sensordaten und -technik anhand eines klar definierten Messprozesses untersucht werden sollen. Im TI-CAR können zum Beispiel Witterungsverhältnisse situativ herbeigeführt und die Sensorik der autonomen Fahrzeuge unter verschiedenen Bedingungen wie Nebel, Schnee oder Regen getestet werden. Damit möchte die PTB die Akteurinnen und Akteure der Automobilindustrie bei der Akzeptanz und „Eroberung“ des Marktes für autonome und vernetzte Fahrzeuge unterstützen.

Nicht nur die Hard- und Software sowie die Erfassung der Umgebung durch das Fahrzeug müsse getestet werden, ergänzte Prof. Dr. Thomas Vietor vom NFF: „Bei einer neuen Technologie muss parallel auch um Akzeptanz der Bevölkerung geworben werden“.

Im eigenen Panel wie auch bei der Podiumsdiskussion hob Prof. Dr. Frank Köster vom DLR KI-Sicherheit die Bedeutung der Datenplattform Gaia-X als Basis für zukünftige Mobilitätsdienste und Anwendungen hervor. „Wir bieten die digitale Grundlage, um Systeminnovationen im Mobilitätsbereich möglich zu machen“. Er wies auf die Vorteile durch den Datenaustausch zwischen verschiedenen Parteien und auf die Möglichkeit hin, neue Geschäftsmodelle durch Gaia-X zu entwickeln. Besondere Aufmerksamkeit galt der Rolle von KMUs und der Verknüpfung verschiedener Projekte. Zudem ging Köster auf die Themen Datensouveränität, europäische Lösungen und IT-Sicherheit ein, um Vertrauen in die Nutzung und Weitergabe von Daten innerhalb der Gaia-X-Plattform zu schaffen.

Sebastian Pütz vom DFKI erläuterte, dass auf Agrar-Land Robotik viel intensiver getestet werden kann, da es weniger Vorgaben und geringere Geschwindigkeiten gebe. Das Unternehmen „Nature Robots“, das 2022 als Spinn-Off aus dem DFKI heraus gegründet wurde, könne mit seiner Entwicklung des autonomen Feld-Roboters „Lero“ starken Einfluss auf nachhaltige Landwirtschaft haben. Nächstes Ziel sei, dass „Lero“ sich frei durch einen Garten bewegen kann und alle Pflanzen auf bis zu 1 bis 2 Zentimeter genau aufnimmt. Im Moment nehme das Interesse aus der Landwirtschaft immer weiter zu. „Nature Robots“ will verschiedene Analyse-Möglichkeiten für Saaten zur Verfügung stellen, als kombinierte Hard- und Software-Lösung – um dem digitalen Wandel in der Landwirtschaft zu begegnen und die Zukunft effizient zu gestalten.

Panel-Diskussion "Zukunft des autonomen Fahrens", Hannover Messe 2023