Alle Wirtschaftsbranchen – von Energie über Ernährung und LifeScience bis hin zum Tourismus – sind durch die Transformation hin zu einer digitalen, vernetzten und nachhaltigen Zukunft stark gefordert. Auch die Mobilitätsbranche in Niedersachsen befindet sich mittendrin in der Transformation. Die Automotive Agentur Niedersachsen unterstützt sie dabei. Ihr Projekt „Transformationsbegleitung der Automobilwirtschaft in Niedersachsen“ hat in den ersten sechs Monaten seit ihrem Start an Fahrt aufgenommen, wie Dr. Anna Meincke, Bereichsleiterin Mobilität und Energie im Innovationszentrum Niedersachsen, im Interview verrät.

Meincke: Die Transformation der Automobilwirtschaft hat allein schon durch die hohe Unternehmensdichte in Niedersachsen eine große Dynamik. Landesweit sind in dieser Branche direkt und indirekt 340.000 Menschen beschäftigt. Dazu kommen noch die Auswirkungen der Pandemie, die Folgen des Kriegs in der Ukraine, die humanitären Katastrophen, der Umgang mit dem Klimawandel – Ereignisse, die Lieferengpässe und steigende Preise verursacht haben. Vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen – die KMU – machen sich verstärkt Gedanken zur Zukunftsstrategie und zur Finanzierung. Die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen spielen dabei ebenso eine große Rolle wie der Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit.

Die Leiterin der Automotive Agentur Niedersachsen, Dr. Anna Meincke, und der Projektleiter der Transformationsbegleitung, Dr. Norbert Gebbe (r.), im Gespräch mit Ministerpräsident Stephan Weil auf der Hannover Messe Ende Mai 2022.

Was kann die Automotive Agentur den niedersächsischen Unternehmen bieten?

Meincke: Im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung fungieren wir als zentraler Ansprechpartner für die Automobilindustrie und Mobilitätswirtschaft. Das heißt, wir begleiten die Akteure bei ihrem Transformationsprozess und unterstützen langfristig den Wissens- und Technologietransfer zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Wir stoßen Innovationen an, wir bieten Zugänge zu Initiativen und Netzwerken ebenso wie zu Forschungs- und Entwicklungs-Einrichtungen. Wir vernetzen die relevanten Cluster und Institutionen, und wir bringen Startups mit etablierten Unternehmen zusammen. So können alle Akteure, auch branchenübergreifend, voneinander profitieren. Man kann sagen: „Die Automotive Agentur Niedersachsen verbindet, was sich ergänzt“.

Wie genau macht die Automotive Agentur das?

Meincke: Das geschieht im direkten Austausch durch Projekte, Weiterbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Wir setzen Technikimpulse, indem wir den landesweiten Technologie- und Wissenstransfer insbesondere für KMU unterstützen und Transformationsvorhaben anstoßen. Wir organisieren und begleiten Projektkonsortien, die neue Produkte und Märkte erschließen und Fördermittel einwerben wollen. Wir zeigen Best-Practice-Beispiele auf, also erfolgreiche Transformationsprozesse und Lösungsansätze. Wir bauen unser eigenes Netzwerk weiter aus und optimieren regionale Knotenpunkte. Dabei arbeiten wir eng mit den niedersächsischen Automobilclustern zusammen: mit ITS Mobility, mit dem Kompetenzzentrum Automotive der Ems-Achse, mit Automotive Nordwest und mit autOS, dem Automotive-Netzwerk in der Region Osnabrück.

Die Automotive Agentur ist zudem über die Grenzen Niedersachsens hinaus und auch international tätig. Wie genau sieht hier die Zusammenarbeit aus?

Meincke:  Wir tauschen uns aktuell aus, wir schauen gemeinsam auf Trends, suchen Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten, wie wir zusammenarbeiten können und welche Konzepte übertragbar sind. So sind wir in der „Norddeutschen Automotive Allianz“ aktiv, deren erklärtes Ziel es ist, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des norddeutschen Raums insbesondere in der Automobil- und Mobilitätswirtschaft zu erhalten und auszubauen. Dies passiert zum einen durch eine gemeinsame Positionierung und Interessenvertretung. Zum anderen unterstützen wir regionale Netzwerke und fördern deren länderübergreifende Zusammenarbeit. Ähnlich sieht die Kooperation der Autoländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen aus. Ganz aktuell ist unsere Zusammenarbeit mit dem Automotive Cluster Ostdeutschland. Das ACOD bündelt regionale Aktivitäten und erzeugt Synergien innerhalb der Branche für ganz Ostdeutschland. Wir widmen uns gerade gemeinsam dem Thema „Batterie-Recycling“. International haben wir gute Kontakte zum Beispiel zur Deutschen Auslandshandelskammer in den USA und zur China International Investment Promotion Agency, kurz CIIPA. Wir nehmen in diesem Zusammenhang an internationalen Konferenzen teil.

Kann man schließen, dass das erste halbe Jahr der Transformationsbegleitung aufgrund der Vielfalt und Dynamik wie im Fluge vergangen ist? Auf welche Grundlagen konnten Sie zurückgreifen?

Meincke: Basis für unsere Arbeit war der Strategiedialog Automobilwirtschaft, den die Landesregierung und Arbeitgeberverbände im Jahr 2019 initiiert hatten und 2021 abgeschlossen wurde. Daraus ist die Transformationsbegleitung der Automotive Agentur hervorgegangen. Wir haben dadurch viele fachliche Expertisen, ein Netzwerk mit großem Mehrwert, etablierte Prozesse und eine vertrauensvolle und branchenübergreifende Zusammenarbeit sozusagen „mit auf den Weg bekommen“. Unser jetziges Vorgehen und die Verfahren sind aber deutlich konkreter und nicht so stark konzeptionell: Am Anfang identifizieren wir relevante Experten/-innen, interviewen sie bilateral und bringen sie in Expertenrunden zusammen. Daraus können wir Konzepte entwickeln, um Projekte zu initiieren.

Wie können wir uns das praktisch vorstellen?

Meincke: Das heißt, wir recherchieren, besuchen Unternehmen und Akteuren vor Ort, organisieren Workshops. Das machen wir zum Beispiel gerade im Bereich Batterie-Recycling. Ziel ist es, die Beteiligten an einen Tisch zu holen, den gesamten Kreislauf abzubilden, zu schauen, wo gibt es gemeinsame Interessen und wo sind vielleicht noch „weiße Löcher“ auf der Landkarte. Außerdem haben wir gerade – zusammen mit mehreren Partnern aus ganz Deutschland – ein Konzept für ein Projekt „Transfer X“ erarbeitet. Dabei geht es um den gesamten Transformationsprozess in der Automobilwirtschaft. Auf einer Plattform sollen Wissen und Erfahrungen transferiert werden und Unternehmen sollen sich – auch auf spielerische Art – über einzelne, für sie relevante Module informieren können. Insofern: Ja, die Zeit vergeht wie im Fluge, es ist schon viel passiert und es passiert gerade sehr viel – ich kann gar nicht alles aufzählen.

Dr. Anna Meincke stellt in einer Online-Veranstaltung die Aufgaben und die Arbeit der Automotive Agentur vor.

Aber Sie können uns vielleicht noch weitere aktuelle Beispiele nennen?

Meincke: Wir sind regelmäßig bei unterschiedlichen Veranstaltungen präsent, halten dort Vorträge, nehmen an Panels teil und ähnliches – wie zuletzt Anfang Juni bei der Hannover Messe, auf der wir auf dem Niedersachsens Gemeinschaftsstand unsere Arbeit präsentiert haben. Beim Automobil Produktion Kongress, der gleichzeitig auf dem Messegelände stattfand, haben wir ein Diskussionspanel gestaltet, bei dem es darum ging, welche Bedeutung Startups für die Transformation in der Automobilwirtschaft haben. Wir werden auch bei der Internationalen Zulieferer Börse im Oktober in Wolfsburg anzutreffen sein. Aus der Vielfalt unserer laufenden Arbeit kann ich als weiteres Beispiel unsere Veranstaltungsreihe #Digital120 nennen. Dabei geht es 120 Minuten lang online um aktuelle Themen der Transformation in der Mobilität. In der letzten Veranstaltung, die kürzlich stattgefunden hat, stand das Thema „Automatisierte Fahren – Level 4“ im Fokus. Wir haben von Fachleuten, auch vom Bundesverkehrsministerium, die Vorgaben, Voraussetzungen und Potenziale beleuchten lassen und mehreren Unternehmen aus diesem Bereich die Chance gegeben, sich vorzustellen – als Best Practice-Beispiele. Das passte auch sehr gut zu einem unserer weiteren Schwerpunktthema: Die digitale Stadt. Es war interessant zu hören, wie Kommunen konkrete Einsatz-Szenarien für vollautomatisiertes Fahren in ihrer spezifischen Umgebung auf Eignung prüfen und die nötigen Voraussetzungen für die Umsetzung bestimmen können.

Die Automotive Agentur ist ja nur ein Teil des Bereichs Mobilität und Energie, den Sie leiten. Welche Schwerpunkte gibt es denn im Bereich Energie?

Meincke: Im Moment ist das Thema „Wasserstoff“ ganz groß. Die ersten Lastwagen mit Brennstoffzellen-Antrieb sind unterwegs und es werden dazu die nötigen Tankstellen gebaut. Es wird geforscht, wie Wasserstoff besser gespeichert werden kann und und und. Insofern kann man sagen: Der „Hochlauf“ des Wasserstoffs ist in vollem Gange. In diesem Bereich nehmen wir ebenfalls an Fachveranstaltungen und Netzwerkgründungen und -treffen teil. Wir initiieren und organisieren selbst Branchentreffen für den fachlichen Austausch, Technologietransfer und um neue Allianzen und Kooperationen zu schmieden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Themen Mobilität und Energie und die Transformation sich zurzeit unglaublich schnell und dynamisch entwickeln – gerade auch aufgrund der eingangs geschilderten gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen.

 Vielen Dank für das Gespräch!

 

Informationen und Kontakt zur Automotive Agentur:

Email: automotive@nds.de

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