Ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft: Die zumeist mittelständisch geprägte Wirtschaft Niedersachsens – seien es Unternehmen aus dem Automotive Bereich, der Maritimen Wirtschaft oder der Luft- und Raumfahrt – stehen unter einem enormen Transformationsdruck im Zeichen der Energie- und Mobilitätswende. Damit der Umbau der Wirtschaft gelingt, brauchen diese drei bedeutenden Branchen in Niedersachsen jedoch ausreichend Fach- und Nachwuchskräfte.

Deshalb luden die Cluster Automotive Agentur Niedersachsen, Maritimes Cluster Norddeutschland und Niedersachsen Aviation am 21. Februar 2024 Personalverantwortliche niedersächsischer Unternehmen zu einem branchenübergreifenden Dialog mit dem Schwerpunkt „Fach- und Nachwuchskräfte“ ein.

Gastgeber war die MTU Maintenance Hannover GmbH, die für diese hochkarätig besuchte Veranstaltung ihre Tore am Standort Langenhagen öffnete. Nach einer Unternehmensführung mit spannenden Einblicken in die Triebwerksinstandhaltung begrüßte Frank Doods, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Bauen, Verkehr und Digitalisierung, die rund 100 Teilnehmenden und ging darauf ein, mit welchen Maßnahmen das Land den Transformationsprozess aktuell flankiert und zukünftig unterstützen will.

Die anschließende Podiumsdiskussion setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern aus Unternehmen der unterschiedlichen Branchen zusammen, die sich angeregt über Herausforderungen und Lösungsansätze innerhalb der jeweiligen Branche und Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Branchen austauschten.

Es herrschte Konsens darüber, dass bei der Berufsorientierung bereits wesentlich früher – nämlich bereits im Kindergartenalter – angesetzt werden sollte, um sehr frühzeitig mögliche Berufswege aufzuzeigen. Es ist zudem wichtig, die bestehenden Fachkräfte für andere Einsatzgebiete weiter zu qualifizieren (ggf. im Rahnen der Arbeitnehmerüberlassung) oder ungelernten Kräfte auch später im Berufsleben die Chance zu geben eine duale Ausbildung berufsbegleitend zu machen. Weitere Möglichkeiten bestehen darin, dass kleinere Betriebe bei der Berufsausbildung Unterstützung durch größere Player erhalten (Beispiel Reintjes Academy).

Eine wichtige Lösung: Engere Verzahlung von Schulen und Unternehmen

Prof. Dr. Simone Kauffeld von der Technischen Universität Braunschweig gab anschließend in ihrem Vortrag Impulse für die vertiefende Diskussion in Arbeitsgruppen an verschiedenen Thementischen. Diese nutzten die Teilnehmenden für aktive Diskussionen und Kooperationsanbahnungen. Im Fokus standen verschieden Fragstellungen, wie z.B. wie man Kinder und junge Menschen für Technik und technische Berufe begeistern kann und wie man Fach- und Nachwuchskräfte in strukturschwache Regionen „locken“ und dort halten kann.

Außerdem wurde besprochen, wie sich der bedarfsgerechte Personaltransfer zwischen Unternehmen/Branchen erfolgreich gestalten lässt und wie Unternehmen Mitarbeitende mit den richtigen Kompetenzen finden können und wie die Mitarbeiterentwicklung erfolgreich sein kann. Zu allen Fragestellungen wurden Lösungsansätze gefunden, so wurde beispielsweise die Rückkehr des Werkunterrichts an die Schulen gefordert, und über Alumni-Modelle gesprochen, wo ehemalige Schüler beispielhaft über ihren Werdegang in den Schulen berichten. Zudem erscheint es sinnvoll, dass Schulklassen in die Betriebe gehen, um sich selbst ein Bild machen zu können, anstatt Unternehmensvertreterinnen und -vertreter in die Schulen zu entsenden. Eine engere Verzahnung von Schulen und Unternehmen bei der Berufsorientierung wird allgemein begrüßt, wobei die Schulen hierzu auch die Möglichkeiten haben müssen.

Am Ende des Tages stand fest: Die Ergebnisse der Diskussionen bilden einen hervorragenden Auftakt für weitere Aktivitäten – womit der Crossover-Branchendialog als Kick-off für intensive Zusammenarbeit der Schlüsselbranchen Niedersachsen darstellt.


Fazit der Podiumsdiskussion

Die Bedarfe der jungen Menschen sind mit einzubeziehen. Nicht über die jungen Leute reden, sondern mit ihnen. Das Gleiche gilt für im Beruf stehende Menschen. Qualifizierung ist die Antwort auf eine sich ändernde Berufswelt, die immer schneller vonstattengeht und uns alle betrifft.
➡️ Frank Doods, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung

Technikneugierde muss ab der 3./4. Klasse gefördert werden. Und zwar nicht nur in den Schulen oder von einzelnen Unternehmen, sondern im Verbund. Beispiel gefällig? Schulklassen auf Messen einladen, sich dort Zeit für sie nehmen und ihnen echte Innovationen zeigen.
➡️ Ingmar Koch, Chief of Staff, Airbus Operations GmbH

Mein Zitat des Abends: “Wir müssen das Gold in den Köpfen der Menschen wachküssen”. Damit werde ich ab sofort all meinen Domänenexperten, besonders in der Instandhaltung auf die Nerven gehen.
➡️ Dr. Andrea Beddies, Vice President, Human Ressources, REINTJES Group

Menschen, also auch Fach- und Arbeitskräfte wollen da abgeholt werden, wo sie gerade sind. Dabei geht es nicht nur darum, die “erste Reihe” vom eigenen Arbeitgeber zu überzeugen. Es ist genauso spannend, die “letzte Reihe” zu motivieren.
➡️ Sebastian Borchers, Head of Continental Institute of Technology and Transformation (CITT)

Transformation darf nicht zu Abwertung führen. Nur so können wir alle mitnehmen. Und wir brauchen alle!
➡️ Frederic Speidel, IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Wirtschafts- und Strukturpolitik