Fachkräfte-Recruiting: Obstkiste und Dart-Scheibe reichen nicht

Clavey Automobile Dienstleistungs GmbH

Fachkräfte-Recruiting: Obstkiste und Dart-Scheibe reichen nicht

Die Maschinen sollen laufen, die Prozesse reibungslos funktionieren: Dafür braucht es Fachleute in der Instandhaltung. Doch Auszubildende zu gewinnen und zu halten, ist schwierig geworden. Wer kann, geht studieren und macht Karriere in Entwicklung oder Vertrieb. Um dem Fachkräftemangel „an der Basis“ zu begegnen, hat die Clavey Automobile Dienstleistungs GmbH in Braunschweig ihre Personalarbeit weiterentwickelt – und mit den Faktoren „menschlich“, „individuell“ und „persönlich“ einen erfolgversprechenden Weg beschritten.

Zu den Auftraggebern von Clavey gehören sowohl die OEMs der Automobilindustrie als auch deren Zulieferer, die Mechatroniker, Maschinisten oder Instandhalter benötigen, diese aber nicht selbst einstellen wollen oder gar nicht erst für sich gewinnen können. „An unserem Standort Leipzig wurden adhoc 50 Leute benötigt, und wir haben gesagt: wir sind in der Lage, das zu schaffen. Zum Start brauchten wir 30 neuen Kolleginnen und Kollegen und bis zum Jahresende weitere 20. Innerhalb von sechs Wochen hatten wir 28 unterschriebenen Arbeitsverträge“, erläutert Clavey-Geschäftsführer Torge C.H. Brandenburg.

Eine Gruppe von Menschen mit Clavey-Shirts geht in eine Werkstatt.
Eine „starke Truppe“: Clavey kommt mit seinen selbst zusammengestellten Teams in die Auto-Werkstätten. Bild: Clavey

Das funktioniere, „weil wir ein bisschen anders rekrutieren. Die Hälfte derer, die wir jetzt eingestellt haben, hätten bei traditionell arbeitenden HR-Abteilungen nicht mal eine Einladung zum Gespräch bekommen, weil es zum Teil sehr ‚gebrochene Lebensläufe‘ waren. Da sind Leute dabei, die zwischenzeitlich als Gärtner gearbeitet haben oder zur See gefahren sind – also eine ganz bunte Truppe.“ Mit 50 Einstellungen sei es jedoch nicht getan, aufgrund der Fluktuation.

Die Quote Bewerberinnen und Bewerber zu eingestellten Fachkräften betrage heutzutage im Markt etwa 15 zu1. „Daher macht es Sinn, das wir HR-Marketing und die Auswahlkriterien verändert haben.“

Um jeden Einzelnen persönlich kümmern

Die Erfahrung habe gezeigt, dass Großunternehmen, Konzerne und ihre Töchter oft nur einen „mittelmäßigen Ruf“ als Arbeitgeber hätten – und eine Beschäftigung bei einem mittelständischen Familienunternehmen attraktiver erscheine. Um sich attraktiv zu machen, hat Clavey sein Onboarding verbessert „Eine Obstkiste und eine Dart-Scheibe im Keller alleine reichen nicht. Wichtig ist die Betreuung“, sagt Geschäftsführer Brandenburg. „Die Botschaft an unsere Führungskräfte ist: Kümmert Euch um die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten – und zwar um jeden Einzelnen. Euer Job ist es, die persönliche Bindung zu Euren Kollegen und allen Mitarbeitenden zu vertiefen.“.

Faire Bedingungen, regelmäßige Gehaltsanpassungen und Urlaubstage über die gesetzlichen Vorgaben hinaus und zusätzliche Anreize wie betriebliche Altersvorsorge, eine Aufstockung der Krankenversicherung, Firmen-Fahrräder und ähnliches gehören bei Clavey sozusagen zur Grundausstattung. Aber Menschlichkeit, ein persönliches Verhältnis und individuelle Beachtung sind die berühmten I-Tüpfelchen, die das Gesamtpaket vervollständigen und für Mitarbeiter sorgen, die im Unternehmen bleiben. Wir sind dezentral organisiert und geben unseren Führungskräften die Freiheit, vor Ort so zu agieren wie auch ein Unternehmer es tun würde. Sie gehen dafür im Umkehrschluss die Verpflichtung ein, diese ‚Denke‘ vor Ort auch umzusetzen.“

Das sei alles kein Selbstläufer und müsse immer wieder trainiert werden, sagt Brandenburg: Die Mitarbeitenden merkten auf diese Weise, dass sie eine sinnstiftende Aufgabe haben, Teil eines Prozesses sind und sogar mitgestalten können. „Wenn wir also das individuelle Selbstwertgefühl derjenigen mit einer ‚bunten Vita‘ sicher einschätzen können und dann auch stärken, schafft das die Möglichkeit, dass es „menschelt“. Dann ist das Gesamtpaket erfolgreich.

Fachkräfte



Gründungsjahr: 1984
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 500; davon 390 in Deutschland; 110 in Polen und Ungarn


Clavey Automobile Dienstleistungs GmbH
Hannoversche Str. 60, Eingang A, 38116 Braunschweig
Telefon: 0531 / 286 00 0

info@clavey.eu
www.clavey.eu


„Die Botschaft an unsere Führungskräfte ist: Kümmert Euch um die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten – und zwar um jeden Einzelnen. Euer Job ist es, die persönliche Bindung zu Euren Kollegen und allen Mitarbeitenden zu vertiefen.“


Erfolgreiches Gesamtpaket bei der Fachkräfe-Gewinnung

Bilder: Clavey


Torge C.H. Brandenburg, Geschäftsführer Clavey
Torge C.H. Brandenburg, Geschäftsführer Clavey

Drei Fragen an: Torge C.H. Brandenburg

Ihr „Rezept“ gegen Fachkräftemangel ist Menschlichkeit, Individualität und Persönlichkeit. Wie sieht das praktisch aus?

Brandenburg: Es sind die Kleinigkeiten im Alltag. Mitarbeitende können sehr gut „fühlen“, ob es ehrlich ist, wenn der Projektleiter vorbeikommt und fragt ‚Wie geht’s‘ oder ‚Brauchst du etwas‘? Oder wenn ein Personalverantwortlicher bemerkt, dass ein Polohemd alt ist und dem Kollegen oder der Kollegin ein neues bringt. Unsere Führungskräfte sorgen dafür, dass die Mitarbeitenden bekommen, was sie brauchen. Und das gilt nicht nur für Polohemden. Dafür haben wir eigene Budgets eingerichtet, um mal einen Gutschein herauszugeben, wenn jemand zum Beispiel aus einer Maschine eine besondere Performance „herausgekitzelt“ hat. Das ist aber keine ‚Methode‘. Es ist vielmehr eine Denke und etwas, das nur durch Zusammenarbeit funktioniert. Es nützt nichts, jemandem die Verpflichtung zu geben: Geh jeden Tag durch die Firma und hau‘ deinen Mitarbeitern anerkennend auf die Schulter. Es ist wichtig, dass die Mitarbeitenden wahrnehmen, dass sie Teil eines Großen-Ganzen sind – und darauf Einfluss haben.

Das ist sicher auch wirtschaftlich sehr sinnvoll. Engagierte Mitarbeitende sorgen für Erfolge. Wie macht sich das bei Ihrem Kerngeschäft, bei der Prozess- und Anlagenoptimierung bemerkbar?

Brandenburg: Ja, dass Mitarbeitende für „ihren Auftrag“ sozusagen das letzte Hemd geben – im positiven Sinne – das sehen wir an allen unseren Standorten. Wenn ein Auftraggeber beispielsweise sagt: Am Montagmorgen muss diese oder jene Produktionsanlage laufen – also schon Stunden vorher angefahren werden, damit sie zu Schichtbeginn schon auf Taktzeit läuft –, dann sind es unsere Leute, die in freiwillig hinfahren und die Anlagen auf „Betriebstemperatur“ bringen, damit es ohne Verzögerungen losgehen kann. In diesem konkreten Beispiel war das keine Vorgabe, sondern das haben unsere Führungskräfte vor Ort dem Kunden vorgeschlagen und nach dessen Zustimmung die Umsetzung mit den Kollegen organisiert. Der Kunde schafft so eine höhere Stückzahl, unsere Leute werden als Teil des Betriebes wahrgenommen; sind also integriert und unsere Instandhalter haben so weniger kritische Stillstände, um die sie sich kümmern müssen. Das ist eine echte Win-Win-Situation.

Diese menschliche Komponente und das familiäre Führen von Mitarbeitenden ist das eine, aber Wirtschaftlichkeit und technische Weiterentwicklung das andere. Wie blicken Sie in die Zukunft angesichts von Digitalisierung und auch verstärktem Einsatz von KI?

Brandenburg: Weniger Ausschuss zu produzieren, die Effizienz zu steigern und Ressourcen zu schonen, ist genauso ein permanenter Prozess wie Energie sparen – und der besteht aus vielen einzelnen Maßnahmen. Wenn wir sehen, dass von einem Zulieferer viele Nicht-in-Ordnung-Teile kommen, dann fragen wir, ob wir mit einem unserer Instandhaltungs-Teams die Maschinen/ Produktionslinien mal begutachten sollen – als Externe, aber mit Expertenwissen und dem „Blick von außen“. Zeitgleich sorgen wir damit bei unseren Mitarbeitenden für eine weitere wichtige Komponente: wir schaffen interessante Aufgabenfelder neben den Tages-Routinen. So macht es den Fachleuten Freude zu schauen, was besser gehen könnte. Und sie nehmen solche Eindrücke auch mit zurück in die Betriebe und Anlagen, die sie normalerweise betreuen.
Wir bringen teilweise auch unser eigenes „Condition Monitoring“ bei unseren Kunden ein, d.h. wir erheben zusätzliche Daten – messen z.B. auch Temperaturen, Vibrationen oder Geräuschentwicklungen. Nehmen wir als Beispiel einen Elektromotor, von dem es mehrere baugleiche in einer Anlage gibt. Der Hersteller gibt vor, dass die Motoren nach soundsovielen Betriebsstunden gewartet werden müssen. Wir schauen aber, ob ein Motor nicht vielleicht viel mehr leisten muss als ein andere und können die Wartungsintervalle entsprechend verkürzen oder strecken. Dieses „Predicitve Maintenance“ sagt zwar nicht den Zeitpunkt voraus, wann ein Motor ausfällt, aber wir bekommen Wahrscheinlichkeiten aufgezeigt. Und das entlastet unsere Leute – die mit den öligen Fingern, mit der Nase direkt am Fett. Auch diese Arbeitsplätze haben es verdient, weniger belastend gestaltet zu sein. Denn wir brauchen, trotz aller Automatisierung und Digitalisierung, noch immer die Leute, die irgendwo reinkriechen und mechanisch, elektrisch oder elektronisch etwas verbessern oder richten.


Nahaufnahme eines Frontscheinwerfers eines Autos.

Individuell in Form und Funktion: Passgenaue Klebeverbindungen für Autoteile

INNO TAPE GmbH

Individuell in Form und Funktion: Passgenaue Klebeverbindungen für Autoteile

Die stylische Leiste an der Seitentür, das Markenlogo oder auch das ganze Scheinwerfermodul: Viele Teile im Auto werden verklebt, weil das an der jeweiligen Stelle am besten hält oder Löcher im Metall oder Kunststoff hier einfach nicht gut wären. Die Firma INNO TAPE aus Alfeld ist Spezialist auf diesem Gebiet und kommt gut durch die Transformation. Denn auch in Fahrzeugen mit anderen Antrieben werden Teile aneinandergeklebt. Das Interesse ist sogar größer geworden, sagt der Geschäftsführer, da man Prozesse in der Fahrzeugproduktion auf diese Weise optimieren wolle.

CEO Thomas Weiser hat das Unternehmen 2006 gegründet. Nach seiner Ausbildung und ersten Tätigkeiten im Bereich „Kleben“ wollte er zurück in die niedersächsische Heimat und machte sich mit der Weiterverarbeitung von Klebeband selbstständig. „Wir sind kein Klebeband-Hersteller und wir arbeiten auch nicht mit Chemie hier bei uns“, betont er. INNO TAPE sei ein „Klebeband-Weiterverarbeiter“, ein Ingenieur-Büro mit eigener Produktion. „Das heißt, wir kaufen von Klebeband-Herstellern fertige Klebeband-Systeme und arbeiten diese so um, dass sie in Form und Funktion an die Anwendung unserer Kundschaft passen. Dabei arbeiten wir eng mit den Klebeband-Herstellern zusammen.“

Nahaufnahme eines ausgestanzten Klebebands.
Der hohe Grad der Spezialisierung und die Fokussierung auf Klebeanwendungen für Fahrzeuge hat dafür gesorgt, dass INNO TAPE nach Einschätzung von Geschäftsführer Thomas Weise „sehr weit vorne mitspielt, auch auf europäischer Ebene.“ Bild: INNO TAPE

Damit sieht sich INNO TAPE als „klassischen Automobilzulieferer“ an. Durch das „tiefe Wissen“, die Spezialisierung und den Fokus auf Klebeanwendungen insbesondere für Autos sei das Unternehmen im Automobil-Bereich „schon sehr weit vorne angesiedelt, auch auf europäischer Ebene“, so Weisers Einschätzung über die eigene Marktposition. Dies habe er auch der Corona-Krise zu verdanken, denn zuvor sei INNO TAPE auch noch für unterschiedliche produzierende Gewerke sowie für die klassische Elektro- und Elektronikindustrie tätig gewesen. „Wir haben damals gesagt, wir müssen uns auf das konzentrieren und fokussieren, was wir wirklich gut können. Im Prinzip haben wir durch Corona festgestellt, wir sind Automobilzulieferer und wir stehen auch dazu. In dem ganzen Transformationsprozess haben wir dann gesagt, wir müssen uns nicht nur dazu bekennen, sondern auch kontinuierlich daran weiterarbeiten“.

Gewachsenes Interesse an selbstklebenden Lösungen

Und auch wenn es für das Klebeband erstmal egal sei, welchen Antriebsstrang ein Fahrzeug habe, so sehen die Spezialisten veränderte Anforderungen durch die Weiterentwicklung der Mobilität. Man habe festgestellt, dass das Interesse, mittels selbstklebender Lösungen Prozesse zu verbessern und zu optimieren, größer geworden sei. „Der Markt hat mittlerweile eine unglaubliche Dynamik bekommen. Das stört uns nicht, weil wir als mittelständischer Betrieb Geschwindigkeit gewohnt sind.“ Seit der Corona-Phase wurden 80 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt – um der Dynamik und der Entwicklung entsprechen zu können.

Für die Zukunft sieht der Firmengründer noch viel Potenzial – in Deutschland und Europa – „mit den Lösungen, die wir hier aus Alfeld, aus Niedersachsen anbieten. Das wollen wir kontinuierlich weiter ausbauen, hier bei uns am Standort.“

Produktion, Fachkräfte



Gründungsjahr: 2006
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 200 


INNO TAPE GmbH
Hildesheimer Straße 38, 31061 Alfeld (Leine)

Telefon: 05181 80687-188

info@innotape.de
www.innotape.de


„Wir haben damals gesagt, wir müssen uns auf das konzentrieren und fokussieren, was wir wirklich gut können. Im Prinzip haben wir durch Corona festgestellt, wir sind Automobilzulieferer und wir stehen auch dazu. In dem ganzen Transformationsprozess haben wir dann gesagt, wir müssen uns nicht nur dazu bekennen, sondern auch kontinuierlich daran weiterarbeiten“.


Kleben statt Schrauben – so hält die Applikation am Auto

Bilder: INNO TAPE, standret – stock.adobe.com, AANds


Thomas Weiser, CEO der INNO TAPE GmbH
Thomas Weiser, CEO der INNO TAPE GmbH

Drei Fragen an: Thomas Weiser

Sie haben sich als heimatverbunden und hier verwurzelt beschrieben. Wie wichtig ist denn der Standort Niedersachsen für Ihr Unternehmen INNO TAPE?

Weiser: Für mich und mein Unternehmen ist dieser Standort enorm wichtig. Wir haben mittlerweile 200 Mitarbeitende, hier im ländlichen Raum, Tendenz steigend. Wir sehen das so, dass wir auch eine gesellschaftliche Aufgabe haben. Das heißt, wir schauen, dass wir uns hier als guter und zukunftsgerichteter Arbeitgeber weiterentwickeln, um die Mitarbeitenden halten und neue gewinnen zu können. Das ist uns sehr wichtig. Wir sehen unsere Zukunft hier. Das ist unsere Heimat.

Wie groß sind denn Ihre Probleme, Nachwuchskräfte zu gewinnen?

Weiser: Ich will nicht von Problemen sprechen, weil der südliche Kreis Hildesheim es immer schon etwas schwerer gehabt als der nördliche Kreis Hildesheim. Das liegt einfach an dessen Nähe zu Hannover. Wir haben uns frühzeitig auf unsere Konzepte und Themen konzentriert. Daher bekommen wir immer noch gute, motivierte und interessierte Auszubildende und auch Nachwuchskräfte. Unser Ziel war und ist es, diese interessierten Menschen gerade hier in der ländlichen Region zu halten. Es gibt Leute, die sind ähnlich wie wir hier verwurzelt. Die haben Familie und Freunde hier und ihre Vereine – und die wollen bleiben, wenn es einen interessanten Job gibt. Da sehen wir unsere Aufgabe, als Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass es diesen interessanten Job gibt, der auch Perspektiven und weitere Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Wir sind optimistisch, dass uns das auch zukünftig gelingt. Aber wir müssen uns schon deutlich mehr anstrengen als vor zehn Jahren.

Welche Rolle spielt denn der „ländliche“ Standort und die Erreichbarkeit für die Angestellten, insbesondere die Azubis?

Weiser: Ja, das wird immer mal wieder thematisiert. Es gibt eine Anbindung an den ÖPNV, die könnte aber deutlich besser sein. Wenn ich jetzt beispielsweise im gewerblichen Bereich im Schichtbetrieb tätig bin, ist es natürlich schwierig, hier wirklich vernünftig herkommen zu können. Wir versuchen, über Fahrgemeinschaften und über Tickets, die wir zur Verfügung stellen, das auch interessant und lukrativ zu machen. Aber das geht vielen Unternehmen außerhalb Ballungszentren so. Wir halten für unsere Mitarbeiter/-innen eine Fahrzeugflotte bereit, die wir jetzt komplett auf Elektrofahrzeuge umgestellt haben. Wir haben dementsprechend auch Ladesäulen eingerichtet. Und wir haben ein Job-Rad-Programm, da wurde zum Teil auch auf Elektrofahrräder umgestellt. Was wir unseren Mitarbeitern/-innen anbieten, dass sie bei uns Strom gratis tanken können. Auch wer mit seinem privaten Elektrofahrzeug hierher kommt, darf dieses auf Kosten des Betriebes laden. Eigenen Solarstrom planen wir zu erzeugen, wenn wir unsere Immobilien energetisch saniert haben. Das ist ein Gesamtkonzept, an dem wir gerade arbeiten. Denn die beste Energie ist die, die wir nicht nutzen oder die wir nicht verbrauchen.


Wasserstoff-Röhren mit Druckanzeige und Verschlussrad, hinter Wasserblasen

Dichtheitsprüfung: Frühzeitig auf grüne Technologie gesetzt

MACEAS GmbH | Worthmann Maschinenbau GmbH

Dichtheitsprüfung: Frühzeitig auf grüne Technologie gesetzt

Benzin und Diesel haben bald ausgedient. Dann müssen auch die dazugehörigen Tanks und Behälter nicht mehr auf Dichtigkeit geprüft werden. Die Erfolgsgeschichte des Sondermaschinenbauers Worthmann GmbH aus Barßel-Harkebrügge im Landkreis Cloppenburg geht dennoch weiter – dank des frühzeitigen Umdenkens der Geschäftsführer in Richtung grüne Technologien. Die ausgegründete MACEAS GmbH entwickelt neue Verfahren und prüft damit Komponenten aus den Bereichen Wasserstoff, Wärmetechnik und Batterietechnologie.

Mit einem automatisierten Verfahren, das per Ultraschall die Gasblasen entdecken kann, und dem großen Autobauer aus Niedersachsen als Kunden war Wachstum von Beginn an vorprogrammiert. Das Unternehmen expandierte bis nach China, und gemeinsam mit der Mutterfirma Worthmann wurden sogar komplette Fertigungslinien für Kraftstofftanks angeboten, inklusive der neuestem Verfahren zur Dichtigkeitsprüfung.

In der ersten Automobilkrise 2008 musste die Geschäftsleitung erstmals umdenken – und baute sich mit Maschinen zur Verarbeitung von Faser-Verbund-Stoffen für Windkraftanlagen ein zweites Standbein auf. Als dann mit den Ad-Blue-Behältern die Nachfrage nach Dichtigkeitsprüfungen im Automotive-Bereich wieder stieg, erkannte Worthmann/MACEAS, „dass wir in unterschiedlichen Bereichen stark sein können“ – und das war eine gute Voraussetzung für den nächsten Umbruch, zehn Jahre später.

Wasserstoff-Röhren mit Druckanzeige und Verschlussrad, hinter Wasserblasen
Entweicht da etwa Etwas? Das Unternehmen MACEAS im Landkreis Cloppenburg ist mit der Zeit gegangen und hat sich auf Dichtigkeitsprüfungen im Bereich alternativer Antriebstechnologien spezialisiert. Fotomontage aus Symbolbildern. Bilder: malp – stock.adobe.com, René Bittner/pixabay

Als die Batterietechnologie in den Fahrzeugbau einzog, wurde 2018 die nächste, aber weitaus größere Transformation bei MACEAS ausgelöst. „Kriege und Umweltkatastrophen vergehen irgendwann, die Umweltverschmutzung bleibt. Das muss geändert werden. Dem haben wir uns verschrieben und die gesamte Kompetenz in den Bereich, den wir ‚grüne Energie‘ nennen, verlagert“, erläutert Daniel Schönbohm, der bei MACEAS Vertrieb und Marketing leitet: Wasserstoffbehälter, Bipolar-Platten für Brennstoffzellen, Komponenten für Elektrolyseure, die Anoden- oder Kathoden-Deckel und Becher in Lithium-Ionen-Batterien, komplette Batteriezellen oder auch in den Unterboden fertig eingebaute Batterie-Gehäuse / Batteriepacks – all das können die MACEAS-Anlagen auf Dichtigkeit prüfen.

Fokus auf Innovationskraft und Neuentwicklung

„So viele unterschiedliche Kunden, wie wir jetzt haben, haben wir noch nie in unserer Geschichte gehabt. Das ist positiv. Wir entwickeln mit ihnen gemeinsam neue Verfahren und Anlagen“. Die hohen Energiepreise träfen das Unternehmen nicht so stark, weil es einen Teil der Fertigung aufgegeben habe und sich mehr auf Forschung und Entwicklung konzentriere. „Wir setzen jetzt mit unseren Ingenieuren auf Innovationskraft und Neuentwicklung und verschwenden unsere Kraft nicht für alte Technologien – was aber auch ein Umsatzrückgang bedeutet.“

Strukturell sei die Transformation im Unternehmen schon abgeschlossen, was noch fehlt, ist die Skalierung. „Wir bieten jetzt auch Lohn-Prüfung als Dienstleistung an. Das ist noch ein toller Bereich für uns geworden“, so Schönbohm. Die jahrelange Erfahrung macht sich jetzt bezahlt: „Viele Kunden von uns haben im Bereich Feinst-Leckage-Tests nicht so viel Erfahrung und auch kein Equipment. Wir beraten sie, wie man Teile prüft, können die Teile der Vorserien für sie prüfen und sie bis zur Serien-Anlage begleiten“.

Abgeschlossen sei die Transformation für MACEAS, “wenn wir am Markt genug Auftragsvolumen haben. Das dauert noch ein bis zwei Jahre und ist vom Marktumfeld abhängig. Was wir innerhalb des Unternehmens erreicht haben, rechnen wir auch den Mitarbeitern hoch an, die ein Problem sofort abstellen, wenn es auftaucht.“

Antrieb, Produktion, E-Mobilität



Gründungsjahr: MACEAS GmbH 2001 | Wortmann Maschinenbau GmbH 1995
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: MACEAS GmbH 5 | Wortmann Maschinenbau GmbH 70


MACEAS GmbH | Worthmann Maschinenbau GmbH
Königstr. 2, 26676 Barßel-Harkebrügge

Telefon: 04497 9219020

info@maceas.com
info@worthmann-ma.de

www.maceas.com | www.worthmann-ma.de


„Ich denke, dass wir den richtigen Weg gegangen sind, auch wenn er manchmal schmerzhaft war, und die Leute jetzt erkennen, dass wir eine Firma sind, die nach vorne schaut und Dinge tut, die für die Umwelt gut sind.“


Tritt Helium aus, ist was undicht

Bilder: MACEAS GmbH, Warren Griffiths/pixabay, phonelamiphoto – stock.adobe.com, frog -stock.adobe.com, malp – stock.adobe.com, René Bittner/pixaby


Daniel Schönbohm, Leiter Vertrieb und Marketing, MACEAS GmbH
Daniel Schönbohm, Leiter Vertrieb und Marketing, MACEAS GmbH

Drei Fragen an: Daniel Schönbohm

Wo sehen Sie die Alleinstellungsmerkmale von MACEAS?

Schönbohm: Ein Alleinstellungsmerkmal von uns ist, dass wir komplexe Anlagen aus einer Hand anbieten und umsetzen können. Wir können die hohen Anforderungen an die Automatisierung erfüllen und schnell die Stückzahlen erhöhen, da wir aus dem Sondermaschinenbau kommen. Außerdem kennen wir uns mit kryogenen Verfahren und mit hohen Drücken aus, was uns im Wasserstoff-Bereich zugutekommt. Und unser das Ultraschall-System, das man ja für Tanks genutzt hat, kann man jetzt auch adaptieren für andere Projekte, für Wasserspeicher, für Kälte-Klima-Anlagen oder auch für die großen Batterie-Unterböden in Autos. Wir entwickeln gerade eine neue Genration dieses Ultraschall-Systems, weil wir hier enormes Potenzial sehen.

Wie ist es Ihnen gelungen, die Mitarbeiter auf dem Weg durch die Transformation mitzunehmen und Fachkräfte zu gewinnen bzw. zu halten?

Schönbohm: Es hängt viel von der Informationspolitik ab. Man muss klar sagen, wo es hingeht. Wir haben zum Beispiel klar kommuniziert, dass wir bewusst Aufträge nicht mehr angenommen haben, weil es nicht zur neuen Ausrichtung passte. Das sorgt für Verunsicherung, vor allem bei den Leuten, die seit 20 Jahren dabei sind. Wir sehen uns hier als Familie und wollen diese Familie möglichst zusammenhalten. Es bleibt aber nicht aus, dass auch Personalentscheidungen getroffen werden müssen. Ich denke, dass wir den richtigen Weg gegangen sind, auch wenn er manchmal schmerzhaft war, und die Leute jetzt erkennen, dass wir eine Firma sind, die nach vorne schaut und Dinge tut, die für die Umwelt gut sind. Ein Riesenproblem in der Zukunft wird sein, dass nicht mehr so viel ausgebildet wird. Umso wichtiger ist es, als Arbeitgeber attraktiv zu sein und eine Beschäftigung mit Zukunft zu bieten. Und wir müssen wieder dahinkommen, dass das Geldverdienen, dass die Arbeit auch Hobby sein kann und nicht etwas ist, was ich zwangsweise machen muss.

Was benötigen Sie als Unternehmen noch, um den Transformationsprozess erfolgreich abzuschließen und welche Rolle spielt der Standort Niedersachsen dabei?

Schönbohm: Es ist eine große finanzielle Hürde für ein Unternehmen, so etwas zu tun. Wir haben ein Projekt fördern lassen, mussten dann aber „abspecken“, weil es zu komplex war, alle Förderrichtlinien einzuhalten. Dann forscht man nicht mehr, weil man forschen möchte, sondern man muss sein Forschungsprojekt dem Förderprojekt anpassen. Das funktioniert nicht. Da wünsche ich mir eine geeignetere Unterstützung bei Innovationen, gerade für kleine Unternehmen. Und ich halte es für ganz wichtig, eine klare Aussage von der Regierung zu bekommen, in welche Richtung es gehen soll. Es ist oft nicht klar, wie die Gesetze langfristig aussehen, es gibt keine Planungssicherheit, Projekte werden verschoben. Das haben wir bei den Wärmepumpen gesehen und auch im Bereich Wasserstoff. Ich meine, da müsste man viel nachhaltiger oder konsequenter sein. Was den Standort hier in Niedersachsen angeht: Wir haben ein tolles Umfeld hier und Leute, die heimatverbunden sind – mich eingeschlossen. Wir haben günstige Kosten für Mieten, Lebenshaltung und ähnliches. Das Bauland ist günstig, Das ist gut für uns, bis auf die Schwierigkeit, dass unsere Mitarbeiter meistens nur mit dem Auto zur Arbeit kommen können. Der ÖPNV im ländlichen Raum müsste gewährleisten, dass die Leute vernünftig von A nach B kommen können, ohne selbst ein Auto zu besitzen.


Ein Autobatterie-Modul.

Batterierecycling: So geht Joint Venture auf emsländisch

RE.LION.BAT. Circular GmbH

Batterierecycling: So geht Joint Venture auf emsländisch

Im Emsland kennt man sich, im Emsland besiegelt man Verträge per Handschlag, außerdem sind die Emsländer ein verbindliches und ehrliches Niedersachsenvolk. So ist zu erklären, dass die in der Entsorgung tätige Deppe Unternehmensgruppe aus Lingen mit der Fahrzeug-Werke LUEG AG aus Bochum in rasanter Geschwindigkeit ein Joint Venture ins Leben gerufen hat: Die RE.LION.BAT. Circular GmbH baut nun eine Batterie-Recyclinganlage in Meppen.

Nicht mal ein Jahr nach dem Spatenstich soll im Herbst 2024 der Testbetrieb beginnen und nur wenige Monate später auf eine Jahreskapazität von ca. 20.000 Tonnen Altbatterien hochgefahren werden. Alle notwendigen Prozessschritte bis zur schwarzen Masse wird RE.LION.BAT. in ihrer Anlage anbieten können – und das sowohl für Batterien aus dem Automobilsektor als auch für Mikro- und Kleinstbatterien. Sich möglichst breit aufstellen lautet hier die Devise. Auch die „unbeliebten“ LFP- (Lithium-Eisen-Phosphat) Batterien soll die Anlage verarbeiten können.

Drei Männer in gelben Westen stehen hinter einem Autombatteriemodul.
Olexander Filevych (m.) und Dr. Oleksandr Gryshkov (r.) haben sich vom Geschäftsführer der RE.LION.BAT. Circular GmbH, Christoph Spandau, die Autobatterie-Module (hier die einey bayerischen Autoherstellers) zeigen lassen, die das Joint Venture-Unternehmen unter anderem künftig komplett recyceln wird.

Als zunehmend Anfragen aus dem Lithium-Ionen-Bereich an Deppe herangetragen wurden, stand die Entscheidung fest, aus den neuen Bedürfnissen der Auto-Industrie ein neues Geschäftsfeld zu entwickeln. Ein Unternehmen, das die neue Recycling-Anlage bauen könnte, war schnell gefunden. Nach dem ersten Treffen begann sogleich die Planung nach einem Vorbild in Schweden: Bis zu 1,5 Meter große Module wird die Anlage schreddern können und somit zukunftssicher konzipiert sein.

„Wir haben den Anlagenbau festgelegt, wir haben den Handschlag gemacht, wie es hier im Emsland üblich ist“, erzählt Christoph Spandau, Geschäftsführer der RE.LION.BAT. Circular GmbH. Auch die Suche nach dem Grundstück lief nach anfänglichen Überzeugungsschwierigkeiten reibungslos: Aus Meppen hieß es, es sei noch ein Gelände frei. „Das war Glück und Zufall, und ist der guten Vernetzung im Emsland zu verdanken“. Die 3,5 Hektar passten exakt auf die Bedürfnisse: mit Autobahnanschluss, in der Nähe zu den Niederlanden, unmittelbar neben dem großen Auto-Recycler Kempers. Auch das bedeutet in Zukunft kurze Wege vom Recycler zum Recycling. Insgesamt bietet das Gelände in Meppen Erweiterungspotenzial für das Recycling von ca. 60.000 Tonnen Altbatterien pro Jahr.

Win-Win-Situation für alle Beteiligten

In das Joint Venture bringt die Deppe-Unternehmensgruppe ihre über 100-jährige abfallrechtliche Kompetenz in Umgang mit gefährlichen Blei-Batterien sowie ihre Marktstellung ein. Die LUEG AG sorgt für das dezentrale Einsammeln der Autobatterien und übernimmt in seinen Werkstätten die Vorstufen des eigentlichen Recyclingprozesses. „Dort haben wir die Expertise für das Thema 2nd Life, Reparatur, Entladung und Demontage, weil immer mehr E-Fahrzeuge in die Werkstätten kommen. Und die Kunden, die heute Blei-Batterie-Kunden sind, werden zukünftige E-Kunden sein. So sichern wir Arbeitsplätze“, erwartet Spandau. Er sieht deshalb gute Chancen, erfolgreich zu sein.

Damit nicht genug: Die Anlage soll so nachhaltig wie möglich sein und das Angebot ganzheitlich. Das Recycling wird mit regional erzeugter Energie aus Sonne und Wind betrieben. „Der Prozess läuft ohne Einsatz fossiler Brennstoffe, selbst in der Abgase-Nach Behandlung nutzen wir elektrischen Strom. Durch die Bauvorschriften sind wir daran gehalten, Photovoltaik einzusetzen, und wir haben viele Windparks hier vor der Tür, das können wir ausnutzen“, so Geschäftsführer Spandau.

Für die Kunden entsteht ein Rundum-Sorglos-Paket, das auch Lösungen zur sicheren Lagerung, zum Brandschutz sowie zum Umgang mit beschädigten Lithium-Ionen-Batterien bietet. Durch die entsprechende Zertifizierung kann das Unternehmen die als Abfall deklarierten Autobatterien nach einem SoH-Batteriecheck (State-of-Health) bei entsprechender Eignung wieder für Second-Life-Anwendung wie Batteriespeicher anbieten.

E-Mobilität, Batterie, Kreislaufwirtschaft



Gründungsjahr: RE.LION.BAT. Circular GmbH: 2023 I Deppe: 1900
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: RE.LION.BAT. Circular GmbH: 5 I Deppe: 70


RE.LION.BAT. Circular GmbH I ein Joint Venture
der Deppe-Unternehmensgruppe und der
Fahrzeug-Werke LUEG AG

Brüsseler Str. 10, 49716 Meppen
Telefon: 0151 / 416 433 50

info@relionbat.com
www.relionbat.com

Weiterer Standort in Niedersachsen:
Schillerstr. 25, 49811 Lingen


„Wir sind einen sehr direkten Weg gegangen. Auch die Bereitschaft zum Risiko und die Überzeugung, dieses Projekt in der Region als Leuchtturmprojekt platzieren zu wollen, ist das, was das Umfeld begeistert hat. In der Summe waren es die Schnelligkeit und die Kunst, die richtigen Menschen in kürzester Zeit an einen Tisch zu bringen, vom Projekt zu überzeugen und dann gemeinsam die Route einzuschlagen.“

Christoph Spandau, Chief Executive Officer, RE.LION.BAT. Circular GmbH
Christoph Spandau, Chief Executive Officer, RE.LION.BAT. Circular GmbH

Michael Kedwesch, Geschäftsführender Gesellschafter, Deppe Batterieservice GmbH & Co. KG
Michael Kedwesch, Geschäftsführender Gesellschafter, Deppe Batterieservice GmbH & Co. KG

Drei Fragen an: Christoph Spandau und Michael Kedwesch

Worin sehen Sie die Gründe für den schnellen Erfolg? Was können andere Unternehmen von Ihnen lernen?

Spandau: Neben unserer Kompetenz im Bereich Abfallwirtschaft, war es auch die Geschwindigkeit, Entscheidungen zu treffen. Dazu sind es ein gutes Netzwerk, Ehrlichkeit und Verbindlichkeit, ja, und auch die Nachhaltigkeit. In Summe war es die Kunst, die richtigen Menschen in kürzester Zeit an einen Tisch zu bringen, vom Projekt zu überzeugen und dann gemeinsam die Route einzuschlagen. Wir konnten die Leute von Anfang an mitnehmen. Wir finanzieren das mit einer lokalen Bank aus dem Emsland, und das Bauunternehmen ist auch ein emsländisches. Das war uns wichtig, denn hier gibt es die Verbindlichkeit: Wenn wir was machen, dann machen wir das!  Das haben alle Partner gezeigt, auch die Stadt und der Landkreis. Das macht Spaß, beflügelt und gibt dann halt auch Rückenwind.

Kedwesch: Das Emsland ist ja einen vom Mittelstand geprägte Region. Und wir Mittelständler gehen, glaube ich, da schon einen sehr direkten Weg. Auch die Risikobereitschaft, und auch die Überzeugung zu haben, dieses Projekt in der Region als Leuchtturmprojekt platzieren zu wollen, das ist das, was auch die Politik und das gesamte Umfeld begeistert hat. Wir haben sehr viel positive Resonanz bekommen. Und die hat dazu geführt, dass es immer sehr dynamisch zugeht. Ein wichtiger Aspekt ist auch, das Vorhaben mit den Genehmigungsbehörden auf Augenhöhe anzugehen. Wir haben einen sehr guten Zugang und eine offene Kommunikation, die dann Dinge oftmals vereinfachen.

Wie haben Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg mitgenommen?

Spandau: Als wir entschieden haben, dass wir diese Anlage bauen, haben wir das natürlich auch intern kommuniziert – es gibt ein Unternehmensvideo, das erklärt, warum, wieso und weshalb man diesen Weg geht. Auch die Mitarbeiter bei unserem Partner sind auf diese Weise abgeholt worden. Das ist für mich ein gutes Beispiel gewesen, wie man Transformation auch in großen Organisationen vermitteln kann. Das Entscheidende ist: Ich muss die Menschen mitnehmen. Mit knapp 70 Mitarbeitern ist das relativ einfach; die holt man einmal zusammen. 2.500 Mitarbeiter abzuholen in sechs Ländern und an 50 Standorten, das ist ein bisschen anders. Aber das haben wir ganz gut gemacht, denke ich.

Kedwesch: Und die Begeisterung ist bei den Mitarbeitern zu erkennen. Sie sind sehr interessiert und stolz darauf, in der Unternehmensgruppe zu arbeiten, sie bringen sich mit ihren Ideen ein – freiwillig. Das macht dann natürlich auch noch mal Spaß.

Welche Bedeutung hat der Standort Niedersachsen für Sie jetzt und auch in Zukunft?

Spandau: Das Land Niedersachsen bietet uns viele Vorteile. Unser Geschäftsmodell ist nicht ganz energieunintensiv. Hier haben wir die Möglichkeit, uns an einer CO2-neutralen Energieversorgung gut zu bedienen. Wir haben eine sehr gute logistische Anbindung, wir können die Logistik effizient halten.
Und wir wissen auch, dass in Niedersachsen eine ganze Menge passiert, auch im Bereich der Batterie-Produktion. Das Gelände hat noch Erweiterungspotenzial. Wir können bis zu drei dieser Anlagen dort draufsetzen. Und dann haben wir noch die Niederlande vor der Tür. Die Niederländer tun sich schwer mit dem Thema, also viel wird nach Deutschland rübergefahren. Auch hierfür bieten wir mit unserem Standort kurze Wege.
Ja, und ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die Nähe zum Auto-Recycling Kempers. Das ist bedeutsam, weil es den zirkulären Kreislauf schließt. Nicht zuletzt sitzen wir in dem Land mit einem der größten Autohersteller der Welt. Und wir nutzen heute schon die Technologie, die bei dem OEM die Technologie von morgen ist. Das sind alles Punkte, die für Niedersachsen sprechen, also Logistik, nachhaltige Energieversorgung und lokales Netzwerk.


Ein gelb-weißes Lastenfahrrad der Firma Grünfuchs in voller Fahrt.

Alle wollen Pakete! Emmissionsfrei geht’s auch

Grünfuchs GmbH

Alle wollen Pakete! Emmissionsfrei geht’s auch

Die „letzte Meile“ hat es in sich, also der Weg vom Paketlieferzentrum zu den Kundinnen und Kunden. Felix Dossmann will mit seinem Logistik-Unternehmen Grünfuchs in Göttingen gleich mehreren Phänomenen entgegenwirken, die Lieferverkehre verursachen: Lieferfahrzeuge verstopfen die Straßen. Lieferanten werden als „störend“ empfunden und nicht selten abschätzig behandelt. Und: Immer mehr Läden in der Innenstadt stehen leer. Grünfuchs bietet als Alternative einen KI-basierten Logistikservice an, der lokal, schnell und mit seinen emissionsfreien Lastenrädern nachhaltig ist.

Die Besonderheit: Online-Bestellerinnen und -Besteller werden nicht mehrmals am Tag von unterschiedlichen Dienstleistern beliefert. Stattdessen gibt die Software vor, ob es sinnvoller ist, das Paket direkt zu liefern oder es zentral zu sammeln, neu zu sortieren und durch nur einen Boten oder eine Botin in einer größeren Liefertour zu verteilen. „Mit zwei solchen Fahrrad-LKW mit je zwei Kubikmetern Volumen für die Zuladung ersetzen wir einen Kastenwagen. Unsere Wege sind kürzer, weil wir die Stopps anders organisieren. Das heißt, wir schaffen es tatsächlich, dieses Fahrzeug aus der Stadt rauszubringen, ersetzen es emmissionsfrei, und zudem sind unsere Fahrer fitter“, erläutert Geschäftsführer Dossmann.

Ein Mann erläutert bei einer Messe mit Gesten, zwei weitere Männer hören aufmerksam zu.
Wirtschaftsminister Olaf Lies (links) und der Hildesheimer Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer interessieren sich beim Mobility Startup Day 2022 der Automotive Agentur sehr für die Erläuterungen von Grünfuchs-Geschäftsführer Felix Dossmann (rechts).

Das Unternehmen hat sich dabei auf Volumen ausgerichtet, und nimmt „jeden Paket-Strom mit“, um die Zuladungskapazität des Lastenfahrrads immer gut auszunutzen. Das heißt: Kundinnen und Kunden können auch ihre Retouren gesammelt abgeben, entweder direkt beim Fahrer bzw. der Fahrerin oder im Paketshop. Ihr Vorteil: Sie müssen nicht mehr zu verschiedenen Annahmestellen der Anbieter fahren. Das alles entlastet Klima und Umwelt. Außerdem können die Händler vor Ort über Grünfuchs einen lokalen Lieferservice anbieten, der schneller ist als mancher Online-Riese – während die Kunden in der City unbeschwert in einer lebendigen Innenstadt shoppen können. Der Grünfuchs-Service ist dabei nicht teurer als das Porto anderer Anbieter.

Marktreif durch Kooperation, bereit für die zweite Staffel

Bestandteil des Erfolgs ist die Kooperation mit anderen jungen Unternehmen. „Wir schauen einfach, was andere besser können. Bei der Routenplanung zum Beispiel, da wenden wir die Software von Graphmasters an, statt selbst unsere Routenplaner zu schreiben. Gemeinsam können wir ein neues Ding für die letzte Meile auf die Beine stellen. Wir arbeiten auch mit Rytle aus Bremen zusammen, um die Fahrräder besser zu machen, und so weiter“, berichtet Grünfuchs-Geschäftsführer Felix Dossmann. Sein Unternehmen entwickle unterdessen Komponenten, die kein anderer habe – wie die App, die Kunden und Fahrer nutzen.

Inzwischen sei das Unternehmen so weit, „die zweite Staffel starten“ zu können, und baut seinen Service nun in einer Kooperation in Köln aus. Für Städte, die kleiner sind, als die NRW-Metropole oder für den ländlichen Raum kann sich Dossmann vorstellen, das Grünfuchs-Logistik System anzupassen. Ein Touristenort aus Schleswig-Holstein habe bereits angefragt – ein Ort mit 120.000 Adressaten im Sommer und 20.000 im Winter, wenn die Touristinnen und Touristen wieder weg sind. „Da macht es eigentlich keinen Sinn, dauerhaft ein großes Logistikzentrum hinzusetzen. Aber vielleicht kann man über so kleine Dinge, wie wir sie tun, einfach besser und optimierter arbeiten.“

Nachhaltige Mobilität, Logistik



Gründungsjahr: 2023
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 9


Grünfuchs GmbH
Friedländer Weg 54a, 37085 Göttingen
Telefon: 0174 / 490 88 42

info@gruenfuchs.de
www.gruenfuchs.de

Weiterer Standort in Niedersachsen:
Dransfelder Straße 4, 37079 Göttingen


„Wir beweisen, dass mit digitalen, KI-basierten Lösungen und einem wertschätzenden Personalkonzept eine nachhaltige Lieferung auf der ,letzten Meile‘ möglich ist. Unser Logistikkonzept ermöglicht eine komplett emissionsfreie Auslieferung mit modernen Lastenrädern. Zwei Fahrrad-Lkw ersetzen einen Lieferwagen.“

Ein Mann steht vor einer Regalreihe mit Paketen und lächelt in die Kamera.
Felix Dossmann, Geschäftsführer der Grünfuchs GmbH

Drei Fragen an: Felix Dossmann

Sie arbeiten in enger Kooperation mit anderen Startups zusammen. Gibt es dahingehend noch weitere Ideen?

Dossmann: Logistik einfach nur auf Lastenräder umzustellen, ist einfach, reicht aber meiner Ansicht nach nicht. Wichtig ist es, Logistikkonzepte zu entwickeln, insbesondere für die letzte Meile. Wir machen das, was wir am besten können, selbst. Wir haben z.B. das System der zentralen Paketannahmestelle, die Sortieranlage und die App bzw. die Kundenkarte entwickelt. Was ich noch gerne machen würde, ist, unsere Fahrzeuge mit Sensoren auszustatten, die zum Beispiel die Erschütterung messen, wenn das Fahrrad da durch rumpelt. Dann kann ich Schlaglöcher melden. Oder ich könnte die Luftqualität oder die Verkehrsdichte messen. Das sind Dinge, die aus dem Automotive-Sektor kommen. Wir haben noch keinen Lieferanten und konzentrieren uns derzeit auf die logistische Dienstleistung. Es wäre aber ganz spannend zu schauen, was wir mit den Daten noch machen könnten.

Was machen Sie im Umgang mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anders als andere Logistik-Dienstleister?

Dossmann: Ich würde sagen, wir versuchen, es anders zu machen. Wir zahlen ähnliche Löhne wie die anderen auch, knapp oberhalb des Mindestlohns. Wir bezahlen darüber hinaus noch Benefits wie eine zusätzliche private Krankenversicherung. Der wesentliche Punkt ist, dass wir versuchen, ein wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinzubekommen. Das heißt, sie sind einbezogen in Entscheidungen, sie bekommen Fortbildungen und Möglichkeiten. Wir wollen, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eine berufliche Perspektive hat – wenn die Fähigkeiten und der Wille vorhanden sind. Wenn jemand sagt, er möchte eines Tages Mechaniker sein und nicht mehr Fahrer, und er kann das, dann versuchen wir das möglich zu machen. Ich nehme auch eine große Identifikation mit dem Grünfuchs wahr: Sie fragen immer wieder nach Werbematerial, so dass sie Familie und Freunden zeigen können, wo sie jetzt arbeiten und wie cool das ist.

Welche Bedeutung hat der Standort Göttingen bzw. Niedersachsen für Sie?

Dossmann: Am Standort Göttingen haben wir gute Voraussetzungen. Sowohl von der Landespolitik als auch aus dem Landkreis und dem kommunalen Bereich haben wir sehr viel Unterstützung. Die Verwaltung ist ein echter Partner. Sie hilft uns bei Flächen oder Genehmigungen, so dass wir jetzt sogar über ‚White-Label-Paketstationen‘ nachdenken können. Wirtschaftsminister Lies war letztes Jahr bei uns auf dem Mobility Startup Day, sein Vorgänger war bei uns in der Halle. Und das waren keine Wahlkampftermine! Göttingen hat auch den Vorteil, dass wir ein kaufkraftstarkes Klientel haben und eine intakte Innenstadt, die Leute sind zudem fahrradorientiert. Wo Luft nach oben ist, sind die Regeln, um Fußgängerzonen zu befahren. In Göttingen gibt es Zone eins und zwei, die für Fahrzeuge verboten sind, aber es werden meiner Meinung nach viel zu viele Ausnahmeregelungen vergeben. Es wäre schön, wenn die Regeln überall und für alle gleich wären – und dass die Städte ihren Gestaltungsspielraum in Sachen Klimaschutz nutzen: Wenn man sagt, wir machen die Innenstädte emmissionsfrei, käme man besser voran. Für uns wäre das übrigens ein Konjunkturprogramm seines Gleichen (lacht).


Mit KI noch effizienter produzieren

NOVO AI

Mit KI noch effizienter produzieren

Bei aller Liebe zur neuen Geschäftsidee, bei allem Enthusiasmus für die Innovation, mit der die Transformation gelingen soll: Am Ende muss es wirtschaftlich sein. Um Produktions- und Fertigungsprozesse zu optimieren und deren Effizienz zu steigern, hat das Startup NOVO AI aus Hannover einen Sensor für das IoT (Internet of Things) sowie eine KI-Analyseplattform entwickelt. Damit wird für produzierende Unternehmen – auch und vor allem in der niedersächsischen Automobilindustrie – erkennbar, wie und wo sie Geld und Zeit sparen können.

„Der wichtige Schritt, wie wir das machen, das interessiert den Kunden eigentlich gar nicht. Für ihn ist am Ende die Analyse wichtig“, erläutert CEO Dimitrij Lewin, einer von drei Geschäftsführern bei NOVO AI. Durch die Analyse der Produktionsdaten ergäben sich „bedeutende Potenziale“ wie weniger Stillstände und eine Effizienzsteigerung um bis zu 100 Prozent. „Unser herausragendes Merkmal besteht darin, dass wir in der Lage sind, sämtliche Produktionsmaschinen mit unserer Plattform zu verknüpfen, da unsere Sensoren mit jeder Maschine kompatibel sind“, so Lewin. Dass jeder Maschinenhersteller eine eigene Plattform anbiete, sei bislang ein Problem gewesen. „Wir sagen: wir vernetzen alle Eure Maschinen – und das ist unser Alleinstellungsmerkmal“.

NOVO AI-CEO Dimitrij Lewin zeigt Barkin Özkaya von der Automotive Agentur Niedersachsen, wie alle Maschinen einer Produktionsstätte in Echtzeit auf einer Gesamtplattform überwacht werden.

Inzwischen hat NOVO AI die Entwicklung seiner Plattform komplett abgeschlossen und nach eigenen Angaben bereits einige Produktionsunternehmen ausgestattet. Wie so oft bei zukunftsweisender Technologie seien viele Menschen noch verunsichert. „Das war jedoch auch bei der Einführung von Computern und Industrierobotern der Fall, die heute zu den etablierten Standards gehören. Mit IoT und KI stehen wir nun erneut vor einer technologischen Revolution, die uns viele Vorteile bringen wird“, ist sich der Geschäftsführer sicher.

Anomalien in Echtzeit inklusive vorausschauender Wartung

Daten sind dabei die wichtigste Grundlage – je mehr, desto besser –, also Faktoren wie das Arbeitstempo einer Maschine, Rüstzeiten und andere Stillstände oder auch Anomalien, die auf einen bevorstehenden Ausfall hinweisen. „Das alles können wir identifizieren, wir zeigen die Schwachstellen auf, und zwar immer in Echtzeit. Mit dieser Analyse kann dann der Produktionseiter schauen, was er ändern kann und muss.“

NOVO AI rüstet nun weitere Unternehmen aus, arbeitet an der Feinjustierung der Sensoren und der Weiterentwicklung der Plattform. Besondere Innovationskraft sieht Dimitrij Lewin im sogenannten „Federal Learning“. Wenn der Algorithmus der KI für eine Maschine trainiert ist, das lässt sich dieses Wissen auch für andere Maschinen nutzen, die in einem anderen Unternehmen oder in anderen klimatischen Bedingungen arbeiten. „Das ist unser ganzheitlicher Ansatz. Wenn der Produktionsleiter oder Maschinen-Bediener weg ist, ist auch sein Wissen weg. Wir bauen mit der KI eine anonymisierte Wissensdatenbank auf, die bleibt – ohne den Menschen zu ersetzen! Unser Ziel ist es, ihm ein hilfreiches Werkzeug an die Hand zu geben“.

Produktion, Produktmanagment
Karosserie, Metall- und Leichtbau



Gründungsjahr: 2023
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 9


NOVO AI
Hollerithallee 17, 30419 Hannover
contact@novoai.de
www.novoai.de


„Man kann Probleme erst beseitigen, wenn man sie identifiziert hat. Wenn man nur auf eine Maschine guckt und sagt, die ist ein bisschen langsam, oder horcht, ob sie ungewöhnliche Geräusche macht, wird nicht viel passieren. Mit unserem IoT-Sensor und unserer KI-Plattform zeigen wir die Schwachstellen für alle Maschinen in Echtzeit auf.“

Dimitrij Lewin, CEO von NOVO AI

Drei Fragen an: Dimitrij Lewin

Was war der Anlass für Ihre Innovation und für Ihre Unternehmensgründung?

Lewin: Wir haben in Deutschland hohe Produktionskosten, einfach schon durch die Mitarbeiterbezahlung und das müssen wir irgendwie regulieren, also gegensteuern. Uns geht es darum, die Effizienz zu steigern und Produktionszeiten zu senken. Wir sagen: Nur so kannst Du ein gutes Produkt haben, das sich auch schnell verkaufen lässt. Das kann man erreichen, indem man smart arbeitet. In Bezug auf KI und IT-Sensoren hat die deutsche Produktionsindustrie und auch die Automobilindustrie allerdings noch Nachholbedarf. Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland auch sagen: okay, ich bin offen, mal was Neues auszuprobieren – ohne dass man neue Technologien so skeptisch gegenübersteht.

Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?

Lewin: Neue Technologien werden nicht dazu führen, dass Menschen ersetzt werden, sondern vielmehr diejenigen, die in der Lage sind, diese Technologien erfolgreich zu nutzen, werden jene ersetzen, die es nicht tun. Man muss den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Angst nehmen und immer wieder betonen, dass es nicht um Überwachung ihrer Arbeit geht, sondern darum, die Arbeit der Maschinen zu kontrollieren und die Effizienz zu steigern. Wenn wir sehen, dass da zum Beispiel 10 von 20 Maschinen im Leerlauf sind, dann ist nicht der Mitarbeitende schuld, sondern das heißt, die Planung ist nicht korrekt. Es ist meiner Ansicht nach besser, so ein Problem aufzudecken und zu lösen, anstatt zu sagen ‚das ist normal‘.

Welche Bedeutung hat der Standort Niedersachsen für NOVO AI?

Lewin: Ich bin selbst Hannoveraner, und ich bewundere den Standort und auch den Einsatz und das Engagement der Leibniz Universität. Wir konnten mithilfe des Exist-Gründer-Stipendiums starten, da wurden wir ein Jahr lang komplett gefördert. Jetzt bekommen wir Unterstützung von hannoverimpuls. Also für mich ist der Standort Niedersachsen als bedeutender Produktionsstandort einfach sehr wichtig und der Platz, wo wir Wurzeln schlagen. Wir sind stolz, dass wir die Produktion hier in der Region ausbauen und verbessern können und einen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen leisten.


Software überwacht Roboter in der Produktion

Dressler Automation GmbH I RoboLive®

Software überwacht Roboter in der Produktion

Die Firma Dressler Automation hat schon einmal eine Transformation mitgemacht: Früher, vor 50 Jahren etwa, wurden in der Werkstatt in Schöppenstedt Schaltschränke per Hand gebaut. Dann kam die Automatisierung, und jetzt sind sie mittendrin in der Digitalisierung. Daraus ist ein komplett neuer Geschäftszweig entstanden: RoboLive®

RoboLive® ist eine Softwarelösung, mit der die robotergestützte Produktion in Betrieb genommen und analysiert werden kann mit dem Ziel, die Qualität zu sichern und möglichst viel Ausschuss zu verhindern. Eigentlich hatten Account Manager Arne Brökers und sein Team dies entwickelt, um die Inbetriebnahme der eigenen Roboter zu überwachen und deren Programmierung zu optimieren.

Zwei Männder schauen auf einen Laptop
Software lässt sich am besten direkt am Bildschirm erklären: Arne Brökers (rechts) von RoboLive® im Gespräch mit Themenmanager Sebastian Koch von der Automotive Agentur Niedersachsen.

Doch das Tool stieß sofort auch bei anderen Unternehmen auf riesiges Interesse: Der Volkswagen-Konzern probierte zunächst in den USA einen Prototypen aus und nutzt das System inzwischen in der gesamten Anlage, berichtet Brökers. „Unseren Standort in den USA hatten wir damals bereits, in Chattanooga, ganz in der Nähe von VW. Jetzt geht es uns darum, das Prinzip nach Niedersachsen zu holen und bei den Mittelständlern der zweiten Ebene, also den Komponenten-, Karosserie- und Teile-Herstellern, zu etablieren.“

Brökers sieht noch sehr große Potenziale bei der Transformation der Automobilwirtschaft: „Oft denkt man dabei ans autonome Fahren und alternative Antriebe. Der größte Schmerz ist aber die Produktion. Da ist nicht alles so modern, wie man vielleicht denkt.“ RoboLive® sei aus der Erkenntnis im eigenen Mutterunternehmen heraus entstanden, dass „da einfach so unfassbar viele Daten sind, die nicht vernünftig genutzt werden. Man kann sie aber verwenden, um das Ganze noch effizienter und schlanker zu gestalten, in der Automobilproduktion oder generell in der Produktion“.

Weniger Ausschuss und weniger Zeitverlust

RoboLive® sitzt im Netzwerk und greift auf alle Roboter sowie deren Programmierungsdaten zu – und gleicht beides miteinander ab. In einem 3D-Modell wird das Produkt inklusive vorgesehener Prozesse visualisiert: Es zeigt also zum einen, wo geschweißt oder geklebt werden soll, und zum anderen, wo tatsächlich geschweißt und geklebt wird. So sind zum Beispiel fehlende Punkte zu erkennen. Die dazugehörigen Parameter zu identifizieren, dauert laut Arne Brökers mindestens 45 Minuten – „wenn man den Fehler überhaupt so schnell findet.“ RoboLive® erkennt die erkennt die Abweichungen, bevor das Bauteil produziert wird, und gibt Warnmeldungen aus. So kann noch rechtzeitig korrigiert werden.

Das funktioniert, so die Entwickler, auch mit unterschiedlichen Robotertypen verschiedener Hersteller, muss aber für jede Anwendung neu angepasst werden. Als Ziel hat das Unternehmen aus Schöppenstedt sich nichts Geringeres vorgenommen, als die gesamte Bandbreite bedienen zu können, also die Arbeit aller Roboter in einer kompletten Anlage zu überwachen. Denn „Roboter funktionieren sehr individuell und dann ist es immer eine Herausforderung, das anzupassen. Aber genau das ist es, was RoboLive® so spannend macht, sagt Arne Brökers.

Produktion



Gründungsjahr: 1970 Dressler Automation + 2020 RoboLive®
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 10

Weitere Standorte: Chattanooga, USA


RoboLive®, Dressler Automation GmbH
Braunschweiger Straße 20, 38170 Schöppenstedt

office@robolive.info
https://robolive.info/de


„Das Spannende ist, dass die Softwarelösung eigentlich für uns selbst gedacht war. Während der Roboter-Programmierung und -Optimierung hat sich das Produkt RoboLive® ergeben. Unsere eigene interne Transformation unterstützt nun auch andere in der Automobilbranche dabei, ihre Produktion weiter zu digitalisieren, also deren Transformation auch voranzutreiben.“

Arne Brökers, Account Manager RoboLive®

Drei Fragen an: Arne Brökers

Was sind die nächsten Meilensteine für RoboLive®?

Brökers: Wir sind jetzt auch in Mexiko unterwegs, und der nächste Schritt ist für uns die Etablierung am europäischen Markt. In Deutschland befinden wir uns in Gesprächen mit OEMs. Ziel ist es, eine weitere Zielgruppe zu bedienen und insbesondere in Niedersachsen, auch die Tier2-Ebene anzusprechen, also mittelständische Unternehmen, die natürlich einen ganz anderen Anspruch und auch eine ganz andere Herangehensweise haben. Das bedeutet, dass wir uns noch viel Know-how aneignen müssen. Und da ist unser nächster Schritt, ein Pilotprojekt zu starten. Wir wollen RoboLive® anpassen für Unternehmen, die kein Netzwerk haben, wo alle Roboter drin sind, die keine ganze Karosserie bauen, sondern viele Einzelteile. Da sind wir gerade auf der Suche nach einem Partner. Also, wenn jemand jemanden kennt, dann freuen wir uns über Nachricht.

Welche Herausforderungen gibt es denn, um in den Markt hineinzukommen?

Brökers: Wir haben ein krasses Nischenprodukt, und dafür genau die richtigen Leute anzusprechen, ist sehr schwierig. Wie gesagt, wir sind ja schon in Gesprächen, aber unser Produkt ist so „nischig“, dass wir das Personal an der Anlage überzeugen müssen. Die trifft man aber nicht einfach mal so auf der Straße und kann sie nicht einfach anquatschen. Man trifft eher die höhere Ebene, die vielleicht nicht sofort erkennt, welches Einsparpotenzial RoboLive® bietet, sondern erstmal nur den Mehraufwand sieht. Die Wege sind einfach sehr lang, von der Akquise bis zum Pilotprojekt bis zur Umsetzung. Deshalb sind wir auch sehr froh, dass es solche Organisationen wie die Automotive Agentur gibt, mit deren Hilfe man immer weiter die Fühler ausstrecken und sich ein Netzwerk aufbauen kann.

Dressler Automation ist seit 50 Jahren in Niedersachsen verwurzelt. Welche Bedeutung hat der Standort?

Brökers: Wir bekommen eine Förderung vom Land Niedersachsen, die es uns ermöglicht, überhaupt eine Transformation hinzulegen. Das ist ja immer risikobehaftet. Das ist natürlich ein Riesenvorteil für uns. Dann haben wir unsere Netzwerke hier, über die wir Kontakt zur Startup-Szene haben. Die Allianz für die Region und überhaupt die Regionen machen viel, um die Transformation voranzutreiben. Und natürlich sind ja auch hier die großen Automobilunternehmen. Wir haben das größte Werk der Welt direkt vor der Haustür. Salzgitter, Braunschweig, Emden, Osnabrück und Hannover – alles wichtige Standorte mit Herstellern und Zulieferern. Also ist das hier eigentlich unser Schlaraffenland. Niedersachsen ist ideal für uns und auch in der Kommunikation ist es immer toll sagen zu können: Wir kommen aus Niedersachsen, Deutschland, wir haben deutsche Wurzeln, niedersächsische Wurzeln, hier wurde die ganze Automobilindustrie in den letzten Jahrzehnten mit aufgebaut.


Zwei Autos mit der Aufschrift BEN-Tec Ready for H2 vor einem Firmengebäude.

Raketentechnologie als Rundum-Sorglos-Paket

BEN-Tec GmbH, Energetische Beratung und Fachplanungsbüro

Raketentechnologie als Rundum-Sorglos-Paket

Eigentlich wollte der Geschäftsführer der BEN-Tec GmbH, Sebastian Niehoff, „nur“ Elektrolyseure für Tankstellen bauen, um sie mit Notstrom zu versorgen. Herausgekommen ist ein Verbund mehrerer kleinerer Unternehmen mit inzwischen mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der in Sachen Wasserstoff das Rundum-Sorglos-Paket für Mittelständler anbietet und so etwas wie Fachkräftemangel gar nicht kennt.

„Kompetenz durch Umsetzung“ nennt der Energie- und Umweltingenieur seine Unternehmensphilosophie: „Wir müssen schnell sein, dazu umweltfreundlich, wirtschaftlich und zukunftssicher. Wir denken neu und suchen Partner und Netzwerke, denn ein Patent in der Schublade nützt uns nichts“, erklärt Niehoff. Deshalb setze er lieber fünf kleine Projekte um als ein großes, „weil wir dadurch viel schneller lernen“.

So und auch durch flexible Angebote zu arbeiten ist das Geschäftsmodell schnell gewachsen. „Wir beschäftigen hier Studenten, Absolventen und erfahrene Ingenieure, vom Minijob bis zur Vollzeitstelle“, ergänzt Eric Golbs, ebenfalls Ingenieur. Hochschulen würden gezielt angesprochen. BEN-Tec habe zudem frühzeitig angefangen, selbst auszubilden. So verschmelze junges, grenzfreies Denken und althergebrachtes Erfahrungswissen.

Die Vertreter der Firma BEN-Tec im Gespräch mit Gunda Fahrenkrog an einem Holztisch.
Informatives, interessantes Gespräch in der BEN-Tec-Zentrale in Rheine (v.l.): Sebastian Niehoff, BEN-Tec GmbH, Geschäftsführender Gesellschafter, Eric Golbs, BEN-Tec GmbH, Ingenieur für Energie- und Umwelttechnik, Samuel Jacubasch, H2Powercell GmbH, Entwicklungsingenieur und Gunda Fahrenkrog, Innnovationszentrum Niedersachsen, Themenmanagerin Energie.

„Wir sind ‚Energiewende-Gestalter‘ und bieten eine ‚Raketentechnologie‘ an. Denn ‚wir bauen Wasserstofftankstellen‘ klingt viel zu langweilig“, betont Golbs. Das ist auch bei weitem nicht alles, was der Wasserstoff-Unternehmensverbund bietet.

BEN-Tec entwickelt komplette Wasserstoffkonzepte in stationären und mobilen Anwendungen. Das erfolgreiche Produkt ist der „H2-Powercube“, in dem sowohl Elektrolyse als auch Stromgewinnung per Brennstoffzelle stattfinden können. Die notwendige Technik wird von der Firma H2 POWERCELL gebaut, ein weiteres Unternehmen installiert diese. Inbetriebnahme und Wartung wiederum übernimmt BEN-Tec. „So können wir die gesamte Schiene Wasserstoff abdecken“, sagt Geschäftsführer Niehoff.

Eigene Ausbildungsgänge entwickelt

Um seinen speziellen Bedarf an Fachkräften zu decken, hat das Unternehmen mittlerweile schon zwei neue Ausbildungsgänge gemeinsam mit IHK und Berufsschule entwickelt. BEN-Tec bildet zum „Technischen Systemplaner, Wasserstoff“ und zum „Technischen Produktdesigner“ aus. So wird die Kompetenzlücke zwischen dem Elektriker und dem Installateur geschlossen. Schulungen für Behörden, Handwerksbetriebe, Tankstellen oder Feuerwehren bietet zudem der „H2-Campus“ an, der als Plattform angelegt, die akademische und betriebliche Weiterbildung verknüpft.

Nicht zuletzt gibt es einen Unternehmenszweig, der die Wasserstoffanwender bei Förderanträgen unterstützt – entstanden aus der Erfahrung heraus, dass Formulare oft nur halb ausgefüllt zurückkamen. „Wasserstoff ist ohne Förderung noch nicht machbar, also bieten wir das mit an. Unsere Online-Formulare sind in der Branche so gut angekommen, dass einige große Marktbegleiter sie von uns erworben haben und ebenfalls nutzen“, so Niehoff.

Dabei wollte Sebastian Niehoff eigentlich „nur“ Elektrolyseure für Tankstellen bauen. Herausgekommen ist ein Mittelständler, der für andere Mittelständler den Energieträger Wasserstoff im Komplett-Paket nutzbar macht. Niehoffs Fazit: „Das, was wir jetzt machen, macht richtig Spaß!“

Fachkräfte, Antrieb, Energie



Gründungsjahr: 2017
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: mehr als 50


BEN-Tec GmbH, Energetische Beratung und Fachplanungsbüro
Gutenbergstraße 30, 48282 Emsdetten

info@ben-tec.com
https://www.ben-tec.com/


„Wir haben von vorneherein eine junge Firmenkultur gepflegt und konnten so von Anfang an dem Fachkräftemangel begegnen. Die Hälfte der Belegschaft ist immer im Homeoffice. Wir bieten flexible Lösungen an, denn die Leute sollen so arbeiten, wie sie am besten können.“


Ganzheitlich und flexibel gedacht: Vom Mittelstand für den Mittelstand

Bilder: AAnds, BEN-Tec GmbH, Daniel Reißig / FAUN


Sebastian Niehoff, Geschäftsführender
Gesellschafter, BEN-Tec GmbH

Drei Fragen an: Sebastian Niehoff

Wie gelingt es Ihnen, junge Leute zu gewinnen, zu halten und weiterzubilden?

Niehoff: Wir brauchen Leute, die grenzfrei denken, weg vom „das haben wir immer schon so gemacht“. Deshalb halten wir zum Beispiel engen Kontakt zu Hochschulen und bekommen die Leute, die Lust haben, sich in ein Wasserstoff-Thema reinzuwühlen. Da sind auch schon die tollsten Abschlussarbeiten entstanden – eine Win-Win-Situation! Wir haben von vorneherein eine junge Firmenkultur gepflegt und konnten so von Anfang an dem Fachkräftemangel begegnen. Die Hälfte der Belegschaft ist immer im Homeoffice. Wir bieten flexible Lösungen an, denn die Leute sollen so arbeiten, wie sie am besten können. Einer Studentin haben wir einen Laptop mit ins Auslandssemester gegeben, ein anderer Mitarbeiter hat bei uns angefangen, als er noch für mehrere Monate in Spanien war. Und wenn unser Auszubildender erst um 10 Uhr kommt, weil das sein Biorhythmus ist, dann ist er motiviert, und wir müssen ihn nicht kontrollieren. Wir denken, diese intrinsische Motivation ist die beste Motivation, um Technogien, Innovationen und Projekte voranzubringen – und die wollen wir fördern.

Sie haben aus Ihrer Leidenschaft heraus ein Unternehmen entwickelt – und das ist schnell gewachsen. Wie wird es weitergehen?

Niehoff: Wir wollen die Konzepte der Zukunft entwickeln – und ich sage ausdrücklich, dass wir dafür auch E-Fuels und Strom als Antriebsenergie brauchen. Wasserstoff kann überall da zum Einsatz kommen, wo es um weite Strecken und große Transporte brauchen. Wir haben in Deutschland kein Energieproblem, sondern ein Zeitproblem. Wir brauchen eine zeitlich abgestimmte Bereitstellung. Mit unserem H2 Powercube können wir dezentral erneuerbare Energie speichern und in der Nacht wieder zur Verfügung stellen. Dieses Produkt wollen wir in Zukunft modular aufbauen, das heißt, dass es je nach Bedarf beim Wasserstoff-Hochlauf mitwachsen kann. Dabei wollen wir auch mit digitalen Zwillingen arbeiten und Standards erarbeiten. In Wettringen planen wir gerade einen Neubau.

Welche Bedeutung hat Niedersachsen für Ihr Unternehmen bzw. für den Wasserstoff-Hochlauf insgesamt? Was könnte die Politik noch besser machen?

Niehoff: Es gibt Energie-Senken und Energie-Quellen. Für Niedersachsen sehe ich große Chance, Energiequelle für andere Regionen zu sein, die eine Senke sind – wie zum Beispiel das Ruhrgebiet. Dafür brauchen wir eine Art Kataster, sodass wir Erzeugung und Bedarf zeitlich miteinander verknüpfen können. Niedersachsen hat viel Potenzial aufgrund seiner Fläche, einerseits in der Energieumwandlung, z.B. durch die Offshorewindparks, aber andererseits auch in Bezug auf das Infrastrukturnetz für Strom und Wasserstoff. Hier in der Region Bentheim, Emsland, Münsterland, Kreis Steinfurt ist eigentlich das Energie-Hub Deutschlands, von Nord nach Süd, von Ost nach West. Die Politik müsste noch offener denken, um vor allem bei der Förderung nicht so einen Flickenteppich zu haben. Niedersachsen erleben wir unkomplizierter bei der Förderung als Nordrhein-Westfalen. Die Förderung von Kleinelektrolyseuren in NRW wiederum könnte Vorbild für andere Bundesländer sein. Wir müssen flächendeckend denken, sonst funktioniert das mit der neuen Technologie nicht. Auch die Photovoltaik konnte nur durch Förderangebote skaliert werden – und ist jetzt eine günstige Form, Elektrizität zu erzeugen.


Stau im Rückspiegel

Eine Welt ohne Staus? Ist möglich!

Graphmasters GmbH

Eine Welt ohne Staus? Ist möglich!

Immer mal wieder wird berechnet, wie viel wertvolle Lebenszeit wir im Stau verbringen. Dabei ist es nicht nötig, sich über zähfließenden Verkehr oder Stillstand auf der Autobahn zu ärgern und für den Notfall einer Vollsperrung immer ein paar Würstchen oder Schokolade an Bord zu haben. Eine Welt ohne Staus ist möglich, sagt das Team des Software-Unternehmens Graphmasters GmbH aus Hannover.

Mit der Nutzung der von Graphmasters entwickelten, kostenlosen Navigationsapp, die unter dem Kunstwort NUNAV firmiert, kann jede und jeder dazu beitragen, den Verkehr flüssiger zu machen und Emissionen durch bessere Routen und weniger Zeit im Stau einzusparen, erklärt COO Sebastian Heise. Für Lastenfahrräder und Busse sowie für das Park- und Verkehrsleitmanagement bei Veranstaltungen hat Graphmasters ebenfalls Apps entwickelt, genauso wie für Logistik-Unternehmen.

Ein gelbes Ortsausgangsschild: oben Hannover, unten das Wort Stau durchgestichen,
Den Stau hinter sich lassen und auf optimiertem Weg rein nach Hannover – das ist möglich, sagen die Software-Entwickler von Graphmasters in Hannover. Das spart Zeit und ist gut fürs Klima.

 

NUNAV Courier unterstützt Kurier-, Express- und Paketdienstleister bei der Disposition, sodass die gleiche Arbeit mit weniger Fahrzeugen und weniger Fahrten erledigt werden kann. Im Volkswagen Crafter und im VW Transporter ist diese Multistopp-Tourenplanung inzwischen voll integriert. „Jetzt ist es so weit, dass unsere Entwicklung tatsächlich rausgeht“, freut sich Heise. Erster großer Kunde war die VW-Konzernlogistik selbst.

Technologischer Kern für die Graphmasters-Anwendungen ist das „Collaborative Routing“. Das heißt, die Apps greifen in Echtzeit auf zahlreiche Verkehrsinformationen zurück, also auch auf die von den Nutzerinnen und Nutzern angeforderten Routen. „Viel relevanter als zu wissen, wie der Verkehr gerade ist, ist es doch, zu wissen, wie wird sich der Verkehr demnächst verhalten? Wir drehen den Gedanken von ‚Wo ist der Stau‘ hin zu ‚Wo muss das hin‘“, erläutert der COO. Mithilfe der KI wird der Verkehr nicht nur über die Hauptverkehrsadern gelenkt, sondern über das gesamte Straßennetz verteilt.

Messe in Hannover bedeutet Stau in Bielefeld

Es geht also um Vorhersagen – und die großen Zusammenhänge: „Wenn wir in Hannover die Hannover Messe haben, dann ist der Stau nicht bei uns, der Stau ist in Bielefeld, jedes Mal. Die Hannoveraner interessiert das nicht, und die Bielefelder sind genervt. Das muss nicht sein: Wir haben so viel Straße, wir brauchen keine Staus. Es lässt sich alles organisieren, alle hätten ihren Benefit.“ Verkehrsleitzentralen und Messe-Gesellschaften wenden die Software bereits an. So konnte beispielsweise auf der AgriTechnica in Hannover der Verkehrsfluss erfolgreich gelenkt und verbessert werden.

Besonderes Potenzial sieht er bei den Logistik-Unternehmen. „Es wird immer weniger Fahrerinnen und Fahrer geben, aber immer größeren Transportbedarf. Es wird nicht reichen, dass ein Auto autonom fahren und fehlerfrei um die Ecke biegen kann. Auch das Fahrerwissen brauchen wir, zum Beispiel die Information, wo man klingeln muss. Wir arbeiten sehr intensiv daran, Dispositions- und Planungsprozesse vollständig von der KI erledigen zu lassen. Das ist furchtbar spannend.“

Smart Mobility



Gründungsjahr: 2013
Weitere Standorte: Großbritannien, Schweiz, Österreich


Graphmasters GmbH
Hollerithallee 17, 30419 Hannover

info@graphmasters.net
https://www.graphmasters.net


Die vollautomatische Lastenverteilung ist angesichts der Zunahme des Individualverkehrs, des Öffentlichen Personennahverkehrs und der Wirtschaftsverkehre unumgänglich. Mit dem Effekt, dass allein dadurch schon 20 Prozent CO2 eingespart werden können, noch bevor der Wechsel der Energieträger in Fahrzeugen erfolgt ist.“


Geschickte Verkehrsverteilung hat viele Benefits

Bilder: Graphmasters, CleverStock – stock.adobe.com, Stan – pexels


Portraitbild von Sebastian Heise, COO bei Graphmasters GmbH
Sebastian Heise, COO, Graphmasters GmbH

Drei Fragen an: Sebastian Heise

Wie sind Sie und ihr Team auf die Idee für NUNAV gekommen?

Heise: Das kam aus unserer eigenen Forschung zu Studienzeiten heraus. Wir haben festgestellt, dass wir den Straßenverkehr mathematisch oder aus der Sicht eines Ingenieurs heraus intelligenter gestalten können. Daraufhin haben wir ein System entwickelt, dass das technisch leistet – mit der Idee im Hinterkopf, dass die Welt ein großes Interesse dran haben sollte. Wir haben Preise und Wettbewerbe gewonnen und mit viel Antrieb die Firma gegründet. So lange wir die Firma betreiben, suchen wir nach Wegen, um unsere Lösung in die Welt hinaustragen zu können.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?

Heise: Jede und jeder weiß eigentlich, dass Sport gesund ist, aber die Leute tun es trotzdem nicht. Was ich damit sagen will: Die Effekte sind offensichtlich, messbar, visualisierbar. Und doch gibt es eine unsichtbare Kraft, die macht, dass das nicht passiert. Jede und jeder hat seine eigene Resilienz, warum etwas jetzt gerade nicht so leicht ist. Es gibt immer Herausforderungen, die noch dringender sind. Das ist auch bei unserer Entwicklung so. Wir müssen immer wieder darstellen, wo der Benefit ist, egal ob im politischen Diskurs oder in einem großen Konzern: Jeder will wissen, ‚wo ist der Vorteil für mich?‘ Ich bin fest überzeugt, es ist ganz viel Benefit da, für jede und jeden, aber wir müssen das den Menschen oft intensiv erläutern.

Und wo auf dem Weg stehen Sie da zurzeit? Was brauchen Sie, um ihre Ziele zu erreichen?

Heise: Dass wir jetzt die Verträge mit VW haben und sie unseren Multistopp-Pathfinder einbauen, ist ein großer Meilenstein. Im Zusammenhang mit der Mobilitätswende verstehen wir uns als „Enabler“. Wir bringen Daten und Fakten der Logistik zusammen, die bislang oft noch verteilt sind. Wir können es möglich machen, dass ein Unternehmen mit 30 statt mit 45 Lkw sein Tagwerk schafft. Und das hat ja nicht nur monetär einen Effekt, auch für die Anwohner könnte das interessant sein, wenn weniger Lkw ihre Straßen weniger plattfahren. Eigentlich hat die ganze Gesellschaft ein Interesse daran, denken wir. Aber die Veränderung ist schwer. Wir brauchen Leute, die nicht immer nur sagen ‚das funktioniert nicht‘, sondern Leute, die sagen‚ ‚das  ist wichtig und spannend‘. Nur weil ich heute nicht weiß, wie die Lösung aussieht, heißt das ja nicht, dass man sich mal auf den Weg begibt. Man muss einfach loslegen.


Ein Abfallsammelfahrzeug wird betankt.

Von Bier und Bremskraft zu BLUEPOWER und Greenfuture

FAUN Umwelttechnik GmbH & Co. KG

Von Bier und Bremskraft zu BLUEPOWER und Greenfuture

Was haben ein Bier unter Ingenieuren und ein verlorenes Fußballspiel von Bundesligist Werder Bremen mit wasserstoffangetriebenen Abfallsammelfahrzeugen zu tun? Beide Ereignisse waren entscheidend dafür, dass das Unternehmen FAUN Umwelttechnik aus Osterholz-Scharmbeck inzwischen 60 emissionsfreie Müllautos vom Typ „BLUEPOWER“ auf die Straße gebracht hat und ihr Ziel, an einem umweltverträglichen Lastverkehr mitzuarbeiten, verfolgen kann.

Für Geschäftsführer Burkard Oppmann ist dies einer der bedeutendste Meilenstein in seiner nunmehr 27-jährigen Tätigkeit bei FAUN: Dass es die ersten Abfallsammelfahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb sind, die sich – in Serie gefertigt, jeden Tag acht Stunden unterwegs – im Alltagsbetrieb bewähren, das macht ihn hörbar stolz. Doch der Weg dahin war mitunter steinig, und nicht nur einmal war Beharrlichkeit notwendig.

2006 war es, als Oppmann und Kollegen nach Feierabend zusammensaßen und überlegten, wie man die Energie, die entsteht, wenn ein Abfallsammelfahrzeug täglich hunderte Male auf dem Weg von Tonne zu Tonne anfährt und bremst, auffangen und nutzen kann. Heraus kam 2010 das „DUALPOWER“-Fahrzeug, das per Rekuperation den Dieselverbrauch um die Hälfte senkte. Der nächste und erste Schritt hin zum Wasserstoffantrieb folgte nur ein Jahr später: die Berliner Stadtreinigung testete das Müllfahrzeug „FUELCELL“ , das zwar noch einen Dieselmotor hatte, aber dessen Lifter und Aufbau erstmalig von einer Brennstoffzelle mit Energie versorgt wurden.

Ein Wasserstoff-Müllfahrzeug vor dem Firmengebäude von FAUN
Von der Bremskraft-Rückgewinnung zum Wasserstoff-Antrieb: Zwölf Jahre Entwicklung und Beharrlichkeit stecken in diesem Abfallsammelfahrzeug.

 

„Von dieser Stunde an haben wir uns bemüht, mehr und mehr auf das Thema Wasserstoff einzugehen und 2018 das erste Abfallsammelfahrzeug komplett mit Wasserstoff-Antrieb auf der Umweltmesse IFAT in München vorgestellt“, erzählt Burkard Oppmann. Das BLUEPOWER-Müllfahrzeug war geboren. „Von da an ging es mit strammen Schritten voran.“

Beim nächsten Meilenstein half der Fußball mit

Als FAUN dann wiederum einen Schritt weiterging, um mit seiner Erfahrung nicht nur Abfallsammelfahrzeuge, sondern auch andere wasserstoffangetriebene Lastwagen für den Stadtverkehr zu entwickeln, war es wieder die Beharrlichkeit von Burkard Oppmann, die zum Erfolg führte – und ein Sieg des Fußball Bundesligisten VfB Stuttgart über den SV Werder Bremen: „Wir brauchten einen Glider, also einen Truck, der nur aus dem Fahrgestell besteht, ohne Motor, ohne Getriebe und ohne Antriebsstrang. Es bedurfte allen Verhandlungsgeschicks, um mit Daimler nach zweieinhalb Jahre kontinuierlicher Verhandlungen zu einem Vertragsabschluss zu kommen, der vorsah, ein Auto ohne Motor zu liefern.“ Schmunzelnd fügt Oppmann hinzu: „Dass Bremen damals beim Auswärtsspiel gegen den VfB Stuttgart verloren hat, das mag geholfen haben.“

Die LKW kamen 2022 auf den Markt und werden unter der Marke ENGINIUS vertrieben. FAUN verlagerte die Produktion nach Bremen in ein eigenes Werk, wo ausschließlich die Mercedes-Fahrgestelle mit Wasserstoff ausgerüstet werden. „Nur neue, keine gebrauchten“, betont Oppmann. Und: keine Sattelzugmaschinen. Das will FAUN den großen OEM überlassen. „Wir haben gesagt, wir bewegen uns in einer Nische. Alles das, was die anderen nicht machen, ist was für uns.“ 1.500 Wasserstoff-Lastwagen pro Jahr sind das Ziel.

Antrieb, Energie



Gründungsjahr: 1845
Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 550 in Niedersachsen, weltweit 2000

Weitere Standorte: 11 Werke in 7 Ländern
Mutterkonzern: FAUN ist Teil der KIRCHHOFF Ecotec, der Umweltsparte der weltweit agierenden KIRCHHOFF Gruppe.


FAUN Umwelttechnik GmbH & Co. KG
Feldhorst 4, 27711 Osterholz-Scharmbeck

info@faun.com
www.faun.com


„Wir sind als Erster mit dem Wasserstoffantrieb am Markt. Für uns ist das die Zukunft einer ganzheitlichen, emissionsarmen Entsorgung und Straßenreinigung.“

Portraitfoto von Burkard Oppmann, FAUN Umwelttechnik
Burkard Oppmann, Geschäftsführer und Chief Sales Officer Germany der FAUN Umwelttechnik GmbH & Co. KG und ENGINIUS GmbH

Drei Fragen an: Burkard Oppmann

Inzwischen entwickeln viele, wenn nicht sogar alle Lastwagen-Hersteller auch Modelle mit alternativen Antrieben. Wodurch hat Ihr Unternehmen diesen gegenüber einen Vorteil?

Oppmann: Wir haben einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung, weil wir schon 2006 angefangen haben. Mit den DUALPOWER-Müllfahrzeuge, von denen wir bereits 20 verkauft haben, haben wir viele Erkenntnisse gesammelt, die wir in der Wasserstoff-Technik umgesetzt haben. Auch aus ersten Schwierigkeiten bei der Umrüstung von Dieselfahrzeugen mit Aufbau und Lifter von anderen Herstellern haben wir schnell gelernt. Beim Pilotprojekt in Berlin hatten wir keinen Ausfall, außer, dass die Heizung mal nicht ging. Also war der nächste Schritt, unsere eigene Steuerung zu entwickeln. Man muss dazu betonen: wir sind ein Mittelständler, und dass wir als OEM agieren, damit haben wir nicht gerechnet. Wir kommen aus der Abfallabfuhr und der Straßenreinigung, da kennt man uns. Unser nächster Schritt ist jetzt, etwas für den City-Verkehr zu tun.

Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem Weg von der Idee zur Mission zur Innovation?

Oppmann: Als wir das erste Fahrzeug 2018 auf die Messe gestellt haben, waren wir als Einzelkämpfer unterwegs – und haben uns viele Fragen gestellt. Funktioniert das? Ist es marktfähig? Erklärt sich der Kunde bereit, diesen Weg mit uns zu gehen? Den Durchbruch habe ich gefühlt, als wir einen Monat vor der Pandemie auf einem Summit namhafter Entsorger unsere Entwicklung erstmals vorgestellt haben. Damals hatten wir schon einige Aufträge, aber wir mussten ja nicht nur das Fahrzeug bauen, sondern wir mussten Kunden finden, die eine Wasserstofftankstelle in der Nähe haben. Die Versorgung ist heute teilweise auch noch schwierig, aber man arbeitet dran. Auch die Mannschaften, die mit dem Wasserstoff-Fahrzeug unterwegs sind, mussten wir motivieren, umzusteigen: Heute wollen die gar nicht mehr zurück in ein Diesel-Fahrzeug wechseln, dies auch, weil die Geräuschkulisse in einem Wasserstoff-Fahrzeug viel geringer ist.

Wie sieht Ihre Zukunftsprognose für die Mobilität und Ihr Unternehmen – in Niedersachsen – aus?

Oppmann: Das Ziel ‚Kein Verbrenner mehr bis 2035‘ – das wird leider nicht so schnell zu erreichen sein, wie manche sich das vorstellen. Ich meine, wir brauchen beides: Wasserstoff und das Batterieelektrische. Wo ich das größte Problem sehe, ist die Versorgung der LKW mit Energie. Das Transportbedürfnis unserer Gesellschaft ist so viel größer geworden. Wie wollen wir Mengen an Fahrzeugen zukünftig betanken? Da gibt es noch keine überzeugende Lösung. Wir haben gar nicht genug E-Ladesäulen und auch beim Wasserstoff muss die Infrastruktur zur Versorgung verbessert werden. Hier sehe ich die größte Herausforderung. Derzeit konzentrieren wir uns bewusst auf unsere Kunden im deutschen Markt und wollen bis 2035 nur noch emissionsfreie Abfallsammelfahrzeuge bauen. Zukünftig möchten wir gern auch weitere europäische Märkte bedienen.